Von wegen Hip-Hop. Erst als Heavy Metal aus den schweren Boxen ertönt, wirbeln Beine durch die Luft. Kraftvoll stößt sich Adnan Dushaku, der sich Lil Amok nennt, mit den Händen vom Boden ab, schraubt sich in die Luft, dreht sich um die eigene Achse. Immer wieder. Sieben, acht, zehn Runden. Sein Kollege Marcio schaut genau hin, erklärt danach, was noch besser sein könnte und macht es sogleich vor. Amok und Marcio gehören zu einer der bekanntesten und vielleicht besten Breakdance-Show-Gruppe der Welt: Den Flying Steps.

Vartan Bassil, gebürtiger Libanese, sportlicher Typ mit Baseball-Kappe, sitzt in der Tanzakademie der Flying Steps in Berlin-Kreuzberg. Er ist einer der Gründer und der Kopf der Truppe. Mit 14 Jahren fing er an, Breakdance zu tanzen, 1993 tat er sich mit Berliner Tänzern zusammen, sie nannten sich Flying Steps und trainierten, so sagt er, wie besessen, bis sie zu den besten deutschen Breakdancern gehörten. Jetzt ist der 38-Jährige künstlerischer Leiter und Choreograf der Gruppe, die mittlerweile als Entertainment GmbH firmiert, und von den Tänzern nicht mehr als „Crew“, sondern als „Company“ bezeichnet wird. Aus der Jugendkultur ist ein Business geworden. Die Flying Steps sind so etwas wie der FC Bayern München des Breakdance.

Schräg hinter Bassil, durch zwei Glasfronten hindurch gut erkennbar, üben acht Tänzer in kleinen Gruppen ihre Bewegungsabläufe, dehnen sich, diskutieren, geben sich gegenseitig Tipps. Training für die neue Show: „Flying Illusion“. Die Räume sind hell erleuchtet, weiße Wände, der Laminatboden wirkt frisch gewienert. Eine Wand ist verspiegelt. Es riecht nach Schweiß.

Wenn man so will, ist Bassil einer der Gründe dafür, dass Breakdance es aus der Nische herausgeschafft hat. Einst abgetan als rhythmusloses Geturne einiger Straßen-Kids, wird der Tanz zunehmend als Kunstform angesehen, die in Theatersälen, Opernhäusern und TV-Shows Einzug hält. Ende 2013 lief ein US-Spielfilm über das Battle of the Year, den größten internationalen Breakdance-Event, der jedes Jahr nicht etwa in den USA, sondern in Deutschland stattfindet. Bassil hat die Tänzer für die neue Show ausgewählt. Man könnte auch sagen: eingekauft. Er hält sie für die Besten. Sie kommen aus Deutschland, Frankreich, Griechenland, England, Portugal.

In der Show geht es um den Kampf zwischen dem Licht der Liebe und der Unterwelt. Breakdance allein aber reicht nicht aus, um ein breites Publikum zu begeistern und ein abendfüllendes Programm auf die Beine zu stellen.Die Flying Steps haben für ihre erste Show auch den Klassik-Echo erhaltenBassil war in Las Vegas, um sich inspirieren zu lassen, engagierte den Zauberkünstler Florian Zimmer, der für die magischen Momente sorgen soll. Die Musik wurde extra für das Stück geschrieben und wird von einem Orchester eingespielt, drei Designer haben Kostüme gefertigt. In der ersten Show der Flying Steps, die 2011 startete, führten die Tänzer urbane Tanzstile zur wohltemperierten Klaviermusik von Johann Sebastian Bach auf. Das kam einem Tabubruch gleich: Breakdance zu Klassik. Die Gruppe erhielt den Klassik-Echo, sie trat im Bundestag, beim Sommerfest des Bundespräsidenten und beim Eurovision Song Contest auf.

Die Tänzer nutzen gerne Superlative, um ihre Kunst zu beschreiben. Sie scheinen darunter zu leiden, dass ihr Tanz solange von der Hochkultur ignoriert worden ist. Dass Breakdance nun aber die Theaterbühnen erobert, daran hat auch Thomas Hergenröther einen Anteil. Der 44-Jährige, Breakdancer der ersten Stunde, erfand den Battle of the Year, der heute als inoffizielle Weltmeisterschaft gilt – und bescherte Gruppen wie den Flying Steps so ein großes Publikum.

Auch in bürgerlichen Kreisen ist Breakdance angesagt. In jeder größeren deutschen Stadt bieten Tanzschulen Kurse an, die großen Zulauf haben. Die Flying Steps haben deshalb in Kreuzberg nicht nur ein Studio eröffnet, sondern auch eine Akademie gegründet. Jugendliche sollen von den Profis lernen – um vielleicht eines Tages selbst in einer Show aufzutreten.

Flying Steps: Red Bull Flying Illusion Fr 30.5. bis So 1.6., jeweils 20.15 Uhr, O2 World, Sylvesterallee 10, Karten von 41 bis 81,50 Euro unter www.eventbuero.com oder an der Abendkasse