Drachensteigen ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Schade, meinen Lilly und Jennifer. Schließlich gibt es in Hamburg einige Drachen-Hotspots, wie den Stadtpark, den Öjendorfer Park und die Poppenbüttler Müllberge.

So richtig Lust, ihre Freizeit unter freiem Himmel zu verbringen, hatte Lilly in diesem Frühjahr noch nicht. Das Wetter sei in den letzten Wochen einfach zu unbeständig gewesen. Doch grundsätzlich ist die 14-Jährige gerne draußen. Und hat sich fest vorgenommen, in der nächsten Schönwetterperiode mal wieder einem Hobby nachzugehen, das in den letzten Jahren in ihrem Umfeld ein wenig in Vergessenheit geraten ist: Dem Drachensteigen. „Bei mir in der Schule gibt es kaum jemanden, der das noch regelmäßig macht, außer vielleicht im Urlaub am Strand“, erzählt Lilly, die die 8. Klasse des Heilweg-Gymnasiums in Alsterdorf besucht. „Aber ich hätte echt mal wieder Lust dazu. Ich finde Drachen schön, außerdem kann man das auch gut zusammen mit Freunden machen, bevor man sich auf einer Wiese nur sonnt und langweilt.“

Die 19-jährige Jennifer kann da nur zustimmen. Die angehende Köchin ist seit Kindesbeinen mit Drachen jeglicher Art vertraut, da ihr Vater seit fast 27 Jahren den Drachenladen „Windspiele“ in Barmbek-Süd betreibt. Für sie ist Drachensteigen der Hit. „Ich finde es toll, dass man den Blick nach oben richten kann und nicht immer nur nach unten auf sein Handy. Zudem ist selbst der Umgang mit einem Lenkdrachen kinderleicht und innerhalb eines Tages zu erlernen“, erzählt Jennifer.

Drachen steigen lassen ist einfach

Das kann ihr Vater, Jörn Töpfer, nur bestätigen. Er kann nur schwer nachvollziehen, warum sich nicht viel mehr Kinder und Jugendliche dem Hobby widmen. „Schon Dreijährige können mit Hilfe der Eltern Drachen steigen lassen. Denn schon bei ganz sachter Luftbewegung sind die schneidigen Flitzer in der Lage, tolle Schleifen zu fliegen. Und für die Ausbildung der motorischen Fähigkeiten des Nachwuchses ist das Drachensteigen sicherlich nicht von Nachteil“, erklärt Töpfer.

Der „Drachenmann“ ist einer der Experten im norddeutschen Raum, was die Gleitfluggeräte betrifft. Vom einfachen Einleiner über Flugmatten bis hin zu Buggy- und Mountainboards – der 50-Jährige bekommt alles in die Luft. Und das auch im Frühling. „Es ist ein altes Märchen, dass nur der windige Herbst für dieses Hobby geeignet ist. Schon ab 1,5 Windstärken bekommt man die meisten einfachen Drachen zum Fliegen.“ Sogar im tiefsten Winter haben sich Töpfer und seine Freunde von größeren Drachen auf Schlittschuhen schon über die gefrorene Alster ziehen lassen.

Die einfachen Einleiner, die günstig zu kaufen sind oder sogar selbst gebaut werden können, sind als Einstieg für die ganze Familie am besten geeignet. Die etwas anspruchsvolleren Lenkdrachen mit zwei Leinen, mit denen auch Loopings und andere Figuren möglich sind, eignen sich für Kinder ab sechs bis acht Jahren. Nach oben sind kaum Grenzen gesetzt. Der größte Drachen ist momentan einer in Walform, der es auf 35 Meter Länge bringt. Auch fliegende Oktopusse, die 30 Meter lang sind, bevölkerten schon den Himmel. Ende Juni findet das größte Drachenfest der Welt auf der dänischen Insel Fanø statt. Dann werden rund 5000 Drachen verschiedenster Couleur aufsteigen.

Hamburg hat Drachen-Hotspots

Doch auch in Hamburg gibt es Drachen-Hotspots. Der Stadtpark ist viel frequentiert, auch der Öjendorfer Park und die Poppenbüttler Müllberge sind von Drachenfreunden besucht. Bei Südwinden ist zudem die Elbe sehr gut geeignet. Man muss sich beim Drachensteigen lassen allerdings an gewisse Regeln halten: Die maximale Flughöhe im Stadtpark beträgt 50 Meter, da der Flughafen in der Nähe ist. Ansonsten ist in einem Bereich von bis zu 1,5 Kilometern rund um die Begrenzung von Flughäfen Drachensteigen grundsätzlich verboten.

Doch das soll niemanden davon abhalten, sich diesem traditionsreichen Hobby zuzuwenden. Schließlich gibt es Drachen schon seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., die ihren Ursprung in Asien haben. In den letzten Jahren flaute die Lust auf die Fluggeräte allerdings deutlich ab. Gab es in Deutschland vor zehn Jahren rund 400 Einzelhändler, die vom Drachenverkauf lebten, sind heute noch 30 übrig geblieben. „Generell sind die Leute nicht mehr so Outdoor-tauglich wie vor 20 Jahren vielleicht. Die Kids spielen nun mal lieber vorm Computer. Die Erfahrung zeigt aber: Wenn man es schafft, die Jugendlichen einmal zu motivieren, Drachen steigen zu lassen, sind sie in der Regel so entflammt für diese Geschichte, dass sie die Finger nicht mehr davon lassen können“, erklärt Töpfer.

Lilly ist zumindest fest entschlossen, sich wieder neu begeistern zu lassen. „Man muss sich nur überwinden. Wenn man den Drachen erst mal in die Luft bekommen hat, dann macht es sicherlich viel Spaß.“ Jennifer kann ihr da nur zustimmen. „Es gibt so vielfältige Möglichkeiten – wen die Drachenlust gepackt hat, der kommt so schnell nicht wieder davon weg.“

Weitere Informationen

Einleiner: Die Grundform der Drachen, für Kinder ab drei Jahren geeignet. Sie sind aufgrund des fehlenden Gestänges nicht lenkbar. Ab 5 Euro.

Lenkdrachen: Sie haben gewöhnlich zwei Leinen, an denen unterschiedlich stark gezogen werden kann. Ab 30 Euro

Mattendrachen: Stablose Drachen, die bei Anströmung ein Flügelprofil ähnlich einem Gleitschirm entwickeln.