Katzen, Detektive, Weltretterin: Verena Fischer-Zernin stellt fünf der zurzeit beliebtesten Kinderbücher

Die Suche nach einem geeigneten Buch für die lieben nicht mehr ganz so Kleinen kann im Jahre 2013 schon mal zur ästhetischen Belastungsprobe werden. Ob Gruselmasken in moosschillernder Halloween-Optik oder Blümchenlook in Zuckerwatterosa: Beim Angebot für acht bis zwölf Jahre alte Leser regiert der Geschmack der Adressaten und nicht der ihrer Großeltern oder Patentanten. Die hätten es lieber dezent und naturnah? Pech auch. Die Buchcover zeigen es: Kinder von heute möchten selbst entscheiden, was sie lesen, und sich nicht von den Eltern zwangsbeglücken lassen.

So handzahme Reihen wie Magda Trotts „Pucki“, Enid Blytons „Fünf Freunde“ oder die „Drei Fragezeichen“, die jahrzehntelang gleich regalmeterweise verschlungen wurden, hätten in der jährlichen Bücherflut kaum noch eine Chance. Die Verlage haben ihre Hausaufgaben gründlich gemacht. „Wenn Erwachsene ein Cover scheußlich finden, ist das für die Kinder schon mal ein Grund, genau das Buch zu wollen“, sagt Marianne Hollederer und lacht. Hollederer weiß, wovon sie spricht. Seit mehr als 20 Jahren verfolgt sie als Kinderbuchexpertin bei der Hamburger Buchhandlung Heymann die Entwicklungen des Markts – und sie weiß, wie man es mit Glück schafft, ein Kind auch über das Vor- und Erstlesealter hinaus bei der bedruckten Seite zu halten.

Dabei gilt es auch, den veränderten Lebenswelten Rechnung zu tragen. Vorbei die Zeiten, als Kinder noch Nachmittage lang unbeobachtet im Pulk durch die Nachbarschaft, über Baustellen und in Wäldern tobten. Gerade Großstadtkinder wachsen überbehütet auf. „Ich habe erlebt, dass eine Mutter ihr Kind auf dem Handy anrief, nur weil es kurz vom Nachhauseweg abbog, um ein Buch bei uns abzuholen“, erzählt Marianne Hollederer. „Die Kinder können im echten Leben fast gar keine Abenteuer mehr erleben. Das holen sie in den Büchern nach.“ Hollederers Erfahrungen spiegeln sich in den fünf Titeln wider, die bei Heymann zurzeit am besten verkauft werden.

Derek Landy: Skulduggery Pleasant.Spannung muss sein. Der irische Autor setzt in seiner Reihe – der aktuelle Band „Duell der Dimensionen“ ist schon der siebte – auf actionreiche Detektivgeschichten. Kuschelig ist da gar nichts; seine Protagonisten haben es mit knallharten, mehr als lebensgroßen Problemen zu tun. Welche 17-Jährige heißt schon Walküre und kann schon auf eine Ausbildung als Weltenretterin verweisen? Die braucht sie auch dringend, um einen Zauberer aufzuhalten, dessen Schüler eine Spur der Verwüstung hinterlassen, wo sie auch hinkommen. Doch um welche Welt geht es überhaupt? Bei Landy stoßen die titelgebenden Dimensionen frontal aufeinander – mit diversen Toten und noch mehr offenen Fragen. Da bleibt Stoff genug für Band acht (Loewe Verlag, 589 Seiten, 18,95 Euro).

Erin Hunter: Warrior Cats – Die Macht der drei.Die Serie verlegt die beliebten Rittergeschichten in eine Welt der Katzen. DonnerClan, FlussClan, SchattenClan, WindClan und SternenClan heißen die Sippen, die einander natürlich nicht nur wohlgesonnen gegenüberstehen. „Sonnenaufgang“ ist schon der sechste Band einer ganzen Staffel, die sich primär an Jungen wendet – Bücher müssen eben mädchen- oder jungentypisch sein, um sich zu verkaufen. Das Autorinnenteam hinter dem Pseudonym hat den handelnden Katzen indianisch klingende Namen gegeben: Häherfeder, Distelblatt und Löwenglut haben erfahren, dass sie nicht vom zweiten Anführer des DonnerClans abstammen – eine Wahrheit, die nicht nur den ganzen Clan erschüttert, sondern die drei Geschwister auch in Gefahr bringt (Beltz Verlag, 342 Seiten, 14,95 Euro).

Frauke Scheunemann: Winston – Ein Kater in geheimer Mission.Wieder ein Katzenbuch, aber dieses nicht nur wegen des pinkfarbenen Einbands eines für Mädchen, sondern auch wegen der Geschichte, die es erzählt: Winston, nach eigener Einschätzung der schlauste Kater des Universums, lebt glücklich und zufrieden in einem Eppendorfer Professorenhaushalt – bis sein Herrchen sich verliebt und die neue Frau auch noch mit ihrer Tochter in die Wohnung einzieht. Klar, dass Winston und das Mädchen anfangs ziemlich spinnefeind sind. Doch plötzlich findet sich jeder im Körper des anderen wieder! Das führt zu einer Reihe haarsträubender Verwicklungen – und jeder Menge amüsanter Geschichten (Loewe Verlag, 240 Seiten, 12,95 Euro).

Alice Pantermüller: Mein Lotta-Leben – Daher weht der Hase! Noch eine Serie! So erhält man sich die Leserschaft. Und mit frechen Kritzeleien und Beobachtungen, in denen sich jeder Schüler und erst recht jede Schülerin mühelos wiedererkennt. Wem wäre nicht schon am frühen Morgen schlecht, wenn nachmittags die Flötenstunde droht? Und abgesehen von derart strategischen Erkrankungen lässt Lotta nichts aus, was man so erleben muss, wenn man elf Jahre alt und mit zwei Brüdern und einer aufmerksamen Mutter geschlagen ist (Arena Verlag, 159 Seiten, 18,95 Euro).

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein.Und es gibt sie doch noch, die Bücher, die nicht nur Kinder-, sondern auch Elternherzen höher schlagen lassen! Dieses hat das Zeug dazu. Mit seinem Rico hat Steinhöfel einen echten Helden unserer Zeit erschaffen: Als „tieferbegabt“ bezeichnet der sich – aber ob er es wirklich ist? Die hochkomischen Kommentare, in denen er sich die Welt selbst erklärt, sprechen jedenfalls für sich. Unter dem Stichwort „Leichenstarre“ notiert er etwa Folgendes: „Wenn jemand so plötzlich und unerwartet tot umfällt, das er nicht mal mehr dazu kommt, die Augen zuzumachen, und dich deshalb anstarrt.“ Ricos Freund Oskar wiederum ist zwar hochbegabt, hat aber auch seine Schwierigkeiten mit der Welt. Etwa seine Unfähigkeit, sich von seiner Bommelmütze zu trennen. In diesem Rico-und-Oskar-Band, es ist der dritte, finden die beiden Freunde einen Toten im Treppenhaus. Die Detektivarbeit führt die beiden von Berlin bis an die Ostsee. Der Zeichner Peter Schössow hat auch diesem Buch ein schön schräges Großstadtgepräge gegeben (Carlsen Verlag, 336 Seiten, 12,90 Euro).