Weggefährten des einstigen Palais-Schaumburg-Sängers erweisen dem Multitalent mit einem großen Abend die letzte Ehre

Gruenspan. Wer wie ich Anfang der 80er-Jahre jung war, in Hamburg lebte und sich für Pop interessierte, musste fast zwangsläufig mit Walter Welke in Kontakt kommen. Das Wirken des Musikers, Filmemachers, Grafikers, Fotografen, Schreibers und Webdesigners reicht aber weit über diese Zeit hinaus, auch wenn er damals als Sänger der Neuen-Deutsche-Welle-Band Palais Schaumburg bundesweit bekannt wurde. Ansonsten arbeitete Walter eher im Hintergrund. Er beeinflusste Karrieren bekannter und unbekannt gebliebener Künstler nachhaltig. Diese Weggefährten werden sich heute Abend im Gruenspan von ihm verabschieden. Denn Walter Welke ist vor zwei Monaten gestorben, am 13. Januar . Im Alter von nur 60 Jahren.

"Danke Walter" heißt die Veranstaltung. Dabei treten so unterschiedliche Künstler auf wie die Schlagersängerin Mary Roos, die Undergroundband Astrid's Farm oder die Jeremy Days. Erstmals seit neun Jahren steht Echt wieder vollzählig auf der Bühne. Mindestens doppelt so lange ist es her, seit Die Antwort, die erste Band des Hamburger Sängers Bernd Begemann, in ursprünglicher Besetzung auftrat. Auch sie werden im Gruenspan spielen. Zu sehen sind zudem Filme, die Walter in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren mit den damals unbekannten Wigald Boning und Olli Dittrich drehte. Und der Hamburger Autor Daniel Dubbe liest Texte des Multitalents.

Ich weiß nicht mehr genau, wann und wo ich Walter - der damals noch Thielsch hieß, den Namen Welke nahm er erst nach seiner Heirat an - zum ersten Mal begegnet bin. Vermutlich war es Anfang der 80er-Jahre im damals sogenannten Bermudadreieck der Undergroundkneipe Subito, des Cafés Luxor und der Disco Kir, Möglicherweise aber auch bei irgendeinem Punk- oder New-Wave-Konzert in der Markthalle. Es waren bewegte Zeiten. Jeder, der etwas auf sich hielt, machte Musik, managte eine Band oder hatte ein anderes wahnsinnig wichtiges Projekt am Laufen. Die meisten von uns waren Dilettanten, nicht älter als 20 Jahre.

In dieser Hinsicht unterschied sich Walter von uns. Er war gut zehn Jahre älter, was man ihm kaum ansah. Er wirkte eher wie ein neugieriger Jüngling als ein abgeklärter Mann jenseits der 30. Und so war es nur folgerichtig, dass Walter bei Palais Schaumburg landete, der damals angesagtesten Hamburger Band. Die Jungs traten mehrfach in der Videoclip-Sendung "Formel 1" auf - MTV gab es im deutschen Fernsehen noch nicht. Palais Schaumburg galt damals auch im Ausland als die große deutsche Avantgarde-Hoffnung.

Bevor er offizielles Bandmitglied wurde, hatte er schon einige ihrer Songtexte geschrieben. Sie waren stark surreal angehaucht und trugen Titel wie "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm". Im Gegensatz zu vielen von uns wusste er als ehemaliger Kunststudent, was Dada und Surrealismus wirklich waren. Als der mit ihm befreundete Bandgründer Holger Hiller 1982 Palais Schaumburg verließ, ersetzte Walter ihn als Frontmann. Er blieb gut ein Jahr. Denn der große Auftritt war nicht seine Sache.

Walter war vor allem jemand, der andere inspirierte. Ich erinnere mich noch, wie er bei der Rückfahrt von einem David-Bowie-Konzert eine Kassette mit lateinamerikanischer Musik in den Rekorder einschob, die mir außerordentlich gut gefiel. Ein paar Tage später drückte er mir ein Tape mit Bossa-nova-, Tango- und Mariachi-Stücken in die Hand. Ähnlich muss es Jahre später gewesen sein, als er den Hamburger Musiker Michel van Dyke zu seinem Album "Bossa Nova" inspirierte.

Nach seiner Zeit bei Palais Schaumburg widmete Walter sich vor allem dem Design von Plattencovern. Er dachte sich Albumtitel wie "Freischwimmer" von Echt und Bandnamen wie Ruben Cossani aus, für die er auch ein Video drehte. Obwohl er selbst kaum mehr Musik machte, wirkte er dennoch musikalisch. "Wir wurden geprägt durch das Zusammensein mit ihm", sagt Kim Frank von Echt. Er habe von Walters "riesiger Plattensammlung" sehr profitiert.

Dokumentiert sind viele von Walters Arbeiten aus knapp 30 Jahren auf seiner Website www.geborenthielsch. de, die auch nach seinem Tod weitergeführt wird.

Danke Walter, heute 21.00, Einlass 19.00, Gruenspan (U Reeperbahn), Große Freiheit 58, Eintritt 12,- an der Abendkasse