Damals, Anfang des 18. Jahrhunderts, war es ein Magnet. Auswärtige Besucher strömten in das Opernhaus am Gänsemarkt, wo das Hamburger Modell des Salomonischen Tempels in einem eigenen Raum zu sehen war.

Eine prächtige und detailreiche hölzerne Architekturdarstellung auf der gewaltigen Grundfläche von 3,45 mal 3,44 Metern. Erstaunlich, dass heute kaum jemand dieses barocke Kunstwerk kennt, das eigenartigste und geheimnisvollste, das Hamburg zu bieten hat. Doch wer es im Museum für Hamburgische Geschichte entdeckt, wird fasziniert sein von diesem "Miniaturwunder des 17. Jahrhunderts", das auch weltweit einmalig ist.

Als das Museum 1997 eine Ausstellung zum Erbe des italienischen Renaissancebaumeisters Andrea Palladio zeigte, untersuchten Museumsleute das Innere des Tempelmodells erstmals mit einer endoskopischen Kamera. Das verblüffende Ergebnis kann noch heute auf einem Monitor neben dem Original besichtigt werden: Auch das Innere des riesigen Modells ist zum großen Teil detailgerecht ausgeführt, obwohl die Betrachter es von außen gar nicht sehen können. Man sieht lange Gänge, den Lichteinfall durch die unendliche Reihe der Fenster, Treppen und Höfe ganz so, als sei es kein Modell, sondern ein wirkliches Bauwerk.

In der Bibel wird der legendäre Tempel Salomos an drei Stellen teilweise recht genau beschrieben. Vor allem seit der Renaissance interessierten sich Theologen, Architekten und Naturwissenschaftler für das Aussehen dieses sagenhaften Bauwerks, das ihnen als Abbild göttlicher Harmonie galt. Der Hamburger Ratsherr Gerhard Schott gab das Modell Ende des 17. Jahrhunderts bei namentlich nicht bekannten Kunsthandwerkern in Auftrag. Was Schott zu diesem aufwendigen Werk motiviert hat, für das er den damals unvorstellbaren Betrag von 16 000 Mark bezahlen musste, ist nicht bekannt. Bekannt wurde nur, dass es 1692 zur Uraufführung einer Oper mit dem Titel "Die Zerstörung Jerusalems" in Deutschlands erster Bürgeroper am Hamburger Gänsemarkt aufgestellt wurde und dort einige Jahre als Sehenswürdigkeit zugänglich war.

1732 erwarb das Riesending der sächsische Kurfürst August der Starke, sodass es nach Dresden gelangte.

Hätte man es nicht aus Eichen-, Tannen- und Birnenholz, sondern aus edleren Materialien erbaut, wäre es heute sicher eine der Hauptattraktionen des Dresdner "Grünen Gewölbes".

Aber mit dem Holzmodell wusste man in der sächsischen Residenz offenbar doch nichts anzufangen. Mehr als anderthalb Jahrhunderte wurde es in Depots aufbewahrt, bis es 1910 nach Hamburg zurückkehren konnte - als Ankauf des Museums für Hamburgische Geschichte.

Es sind noch längst nicht alle Geheimnisse dieses größten erhaltenen hölzernen Architekturmodells der Barockzeit gelüftet, es bleibt also, wie es war: spannend. "Ein solches Kunstwerk verdienet gesehen zu werden", schrieb 1710 ein gebildeter Besucher Hamburgs. Recht hat der Mann.

Kultur

hamburgmuseum (Museum für Hamburgische Geschichte), Holstenwall 24, 20355 Hamburg

Tel.: 040/42 81 32 23 80

www.hamburgmuseum.de

Öffnungszeiten: Di-Sa: 10.00-17.00 Uhr, So: 10-18 Uhr

Eintrittspreise: 7,50 Euro (ermäßigt 4 Euro)

Familienkarte: 12 Euro

ÖPNV: U 3, Haltestelle St. Pauli; Buslinie 112, Haltestelle Museum für Hamburgische Geschichte

Geeignet für Kunstbegeisterte, Handwerker und Tempelritter.