Kleine Fluchten: Im Hotel “Alte Strandvogtei“ in Rantum auf Sylt gibt es jetzt einen modernen Stil und mehr Platz

Sylt. Seit fast einem Jahr präsentiert sich die "Alte Strandvogtei" im neuen Look. "Vergessen Sie alles, was Sie von unserem Hotel kennen. Wir haben uns vollkommen neu aufgestellt", sagt die Geschäftsführerin schon am Telefon. Gespannt auf das Neue mache ich mich also auf den Weg nach Rantum auf Sylt. Dort, wo die Insel am schmalsten ist, liegt an der Wattseite das schneeweiße Hauptgebäude unter Reet. Oft ist es an dieser Stelle zu Überflutungen gekommen, weshalb das Haus im Jahre 2008 komplett abgerissen werden musste, da auf andere Weise das feuchte Gemäuer nicht saniert werden konnte. Außerdem war das Haus für heutige Verhältnisse zu klein. Es wurden zwei zusätzliche Gebäude in Hufeisenform gebaut, heute umfasst das Angebot zwölf Suiten und drei Doppelzimmer.

Gänzlich verschwunden ist der mediterrane Stil, der lange Zeit im Trend lag. Und auch das plüschige und altmodische Ambiente gibt es nicht mehr, statt Friesischblau herrschen heute helle und dunkle Erdfarben vor. Die zeitlose Moderne hat stilistisch Einzug gehalten, gepaart mit asiatischen Elementen. Naturmaterialien wie Holz und Stein bestimmen vorrangig das Bild. Hochwertig ist die gesamte Ausstattung, die Bezüge der Sofas und Sessel schimmern silbergrau und die verzierten Vorhänge im selben Ton passen gut dazu. Eine Mischung aus Schlichtheit einerseits und Verspieltheit bei den modernen Gegenständen bildet ein besonders schönes Ambiente. Die Küchenzeile beinhaltet alle wichtigen Utensilien für jene Urlauber, die gern auch mal selber kochen.

Dieser sogenannte "Sylter Landhausstil" ist das Werk der Innenarchitektin Ines Müller, die zugleich die jetzige Eigentümerin ist. Die kunstvollen Teppiche bilden ein besonderes Augenmerk. Auffallend viel Strandtreibholz findet sich als Verzierung an Spiegeln und als Tisch- und Lampenständer wieder. Der luxuriös ausgestattete und geräumige Wohnbereich verfügt über TV-Flatscreen, DVD-Player und eine kompakte Stereoanlage. Kuschelig ist der Schlafraum in den Gauben der im oberen Stock gelegenen Suiten, aber leider auch eng. Dass sich der begehbare Kleiderschrank ausgerechnet hier befindet, ist unpraktisch und mühsam. Wer hat schon Lust, das Gepäck nach oben zu schleppen - zumal der Sylt-Reisende bekanntlich immer mehr Textil dabei hat als der Normalreisende.

Der neue Stil kommt bei den Gästen gut an. "Das ist ja ein Paradies hier!", vernehme ich den begeisterten Ausruf eines Besuchers, der zufällig vorbeigekommen ist und sich nur mal das Haus ansehen will, "bestimmt gibt es auch einen tollen Wellnessbereich", vermutet er zu Recht. Im Souterrain befinden sich Sauna und Dampfbad sowie ein beleuchtetes Schwimmbad. Die dezente Beleuchtung sorgt für stimmungsvolle Entspannung. Sind Gäste mit Kindern hier, kann es im Untergeschoss wegen des Halls schon mal lauter werden. Kuschelig weich sind dafür die Bademäntel und nicht, wie so oft, steif vom vielen Waschen. Auch die "Duschslipper", wie hier die Badelatschen heißen, sind speziell. Die Gebrauchsanweisung liegt mit dabei, sodass auch ungeschickte Menschen nicht überfordert werden.

Die in Celle geborene Birte Clarenbach leitet das Hotel seit 2003. Nach einem BWL-Studium in Hannover und der Ausbildung zur Hotelfachfrau verbrachte sie zwei Jahre zur Weiterbildung in den USA. Nach Sylt wurde sie von ihrem Vorgänger gelockt, als sie am Strand von San Diego lag, wie sie sich schmunzelnd erinnert. "Das Meer fand ich schon immer toll", sagt sie strahlend. Auf der Insel hat sich die sympathische Leiterin in einen Einheimischen verliebt, sich verlobt und verheiratet. Rantum ist ihr Lieblingsort auf der Insel: "Es ist nicht so überlaufen, und hier gibt es keinen Flugverkehr wie in Keitum. Kinder können herumtoben, die ,Sansibar' ist in der Nähe, für jeden Geschmack etwas dabei", ist sie sicher.

Der Frühstücksraum des Garni-Hotels wird beherrscht vom großen, schönen Kachelofen und den handgemalten Kacheln, die erhalten geblieben sind. Außer einigen Antiquitäten und historischen Bildern setzt sich auch hier der moderne Stil fort, in dessen Symbiose aus Alt und Neu sich der Gast wohlfühlt. Wahlweise kann an schönen Tagen auch auf der großen Sommerterrasse, umgeben von Buschrosen, in Strandkörben gefrühstückt werden. Der ausgewählte Tee "bunte Friesenmischung" wird in neumodischem Geschirr serviert, wobei Tasse und Kanne eine Einheit bilden. Dies entpuppt sich allerdings schnell als unpraktisch, denn die Tasse ist viel zu groß, der eingegossene Tee erkaltet schnell. Auf meine Frage nach einem Stövchen erhalte ich einen ungläubigen Blick des jungen Servicepersonals. Auch die Nachfrage in der Küche bringt kein Ergebnis. Und das auf einer friesischen Insel, wo die Teezeremonie traditionell dazugehört!

Aber dies ist nur eine Marginalie einer ansonsten stimmigen und sehr komfortablen Herberge in diesem beschaulichen und ruhigen Teil der Insel.

+++ Alle kleinen Fluchten zum Nachlesen +++

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