Auf dem Alten Bergedorfer Schleusengraben schiebt sich unser Ausflugsschiff gemütlich durch die mittägliche Ruhe ...

Noch sind wir mit den Enten und Blesshühnern allein. Auf dem Alten Bergedorfer Schleusengraben schiebt sich unser Ausflugsschiff gemütlich durch die mittägliche Ruhe, von den Ufern leuchten die Brombeeren. So ein alter Industriekanal hat seinen Charme. Auf ihm transportierte das "Bergedorfer Eisenwerk" vor 150 Jahren seine Maschinen gen Hamburg. Künftig ist hier ein schmuckes Wohn- und Hightech-Quartier mit Grachtenhäusern und Hausbooten geplant. Aber jetzt ist einfach - Stille.

Die Vierlande-Tour von Bergedorf zur Alster ist wie eine Zeitreise: von ländlicher Idylle zur Hafenindustrie bis in den postmodernen Bauboom hinein. Im Tempo eines rüstigen Kanuten (8 km/h) lässt sich alles in Ruhe betrachten. Gerade biegen wir vom Alten Schleusengraben in die Krapphofschleuse ein, die mit der tideabhängigen Dove-Elbe verbindet. Seit 2006 ist das eine Do-it-yourself-Schleuse, erklärt unser Bootsführer Stefan Jensen.

Sein Kollege Norbert Bossel gibt derweil schon mal Kaffee und Butterkuchen aus. Tee würde auch passen. Denn Alt-Allermöhe, das sich jetzt auf dem rechten Ufer hinzieht, wirkt sehr altenglisch mit hübschen kleinen Landhäusern und Pferdekoppeln. Im 12. Jahrhundert hieß Allermöhe noch "Anremutha", "an der anderen Mündung". Zweihundert Jahre später wurde das wasserreiche Marschland von holländischen Siedlern eingedeicht. Der fruchtbare Boden war damit vor Ebbe und Flut weitgehend geschützt und brachte die Allermöher Bauern zu einigem Wohlstand. Sie versorgten Hamburg mit Gemüse, Obst und Blumen.

Kühe grasen auf den niedrigen Sommerdeichen, unter einer Weide halten Schafe Mittagsschlaf. Die Dove-Elbe ist ein Dorado für Naturfreunde, Angler und Wassersportler. Vor dem schönen Fachwerk des historischen Hufner-Hauses in Moorfleet drängeln sich Hunderte Sportboote mit putzigen Namen - "Willi", "Hildegard" oder auch "Dark Rider".

In der Tatenberger Schleuse wird unser Schiff um die fast 3,60 Meter Tideunterschied abgesenkt: Auf der Elbe ist zurzeit Niedrigwasser. Die Schleuse markiert einen Szenenwechsel: Ab jetzt sind wir im "Hafengebiet". In der Billwerder Bucht passieren wir das Kohlekraftwerk Tiefstack und die Einfahrt zum Holzhafen, am Ufer türmen sich die Container des Industriegebiets Peute-Veddel.

Hinter den Elbbrücken liegen mitten im Fluss plötzlich drei Frachterriesen nebeneinander auf Reede: Turmhoch ragen die Decks der "Ice Bird", der "Euro Storm" und der "Limassol" über unser flaches Ausflugsschiff. Von der Freitreppe des Kreuzfahrt-Centers winken uns Touristen zu. Die HafenCity: Vom Wasser aus wirken die Wohnhaustürme individualistisch und bunt. Um ihre Wasserbalkons kann man die Bewohner beneiden, um die Quadratmeterpreise sicher nicht.

In der Speicherstadt liegt die Nachmittagssonne auf den roten Ziegeln, als wir an der Schaartorschleuse in die Alsterfleete einbiegen. Am Jungfernstieg ist die Fahrt nach drei Stunden zu Ende. Wir sind von 800 Jahre alten Dörfern ins dritte Jahrtausend gefahren und haben gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist.

Tour

ATG Alster-Touristik GmbH, Anleger Jungfernstieg, 20354 Hamburg

040/35 74 24-0

www.alstertouristik.de

Zeiten: Vierlande-Fahrten finden von April bis Oktober statt.

Preise: einfache Fahrt ab Jungfernstieg Erwachsene 19,50 Euro, Kinder 9,50 Euro; ab Bergedorf Erwachsene 17, 50 Euro, Kinder 8,50 Euro.

Nahverkehr: für Jungfernstieg S 1/S 2/S 3, Haltestelle Jungfernstieg; für Bergedorf R 20, S 2/S 21, Buslinien 12, 135, 223, 225.

Geeignet für Zeitreisende und alle, die sonst viel zu häufig viel zu schnell unterwegs sein müssen.