Harvestehude. „Nicht die Wände schmücken ein Haus, sondern die Piroggen.“ Ein russisches Sprichwort reicht aus, um es auf den Punkt zu bringen: Man kann noch so viele Literaturklassiker verschlingen und die WM-Gastgeberrolle (ab 14. Juni) analysieren – der russischen Seele kommt man erst bei Tisch wirklich nahe. Also her mit Borschtsch und Kaviar, Soljanka und Wodka! Auf der Suche nach einem Restaurant für russische Spezialitäten wird man genau einmal in Hamburg fündig. Und zwar an der Hallerstraße: Unten in den Grindelhochhäusern, in Nachbarschaft zum Bezirksamt Eimsbüttel und gleich neben dem indischen Lokal Maharani, gegenüber von einem Hightech-Kinderspielplatz, der später noch eine Rolle spielen wird, ist das Restaurant Baku untergebracht.
Moment mal, werden jetzt zu Recht kritische Leser anmerken. Baku ist doch die Hauptstadt von Aserbaidschan. Geografisch korrekt müsste es also heißen: Aserbaidschanische und internationale Spezialitäten. Doch die wechselvolle Geschichte des Landes mit russischen respektive sowjetischen Machthabern hat ihre Spuren eben auch in der Kulinarik hinterlassen. Und so kommt der Begleiter schon beim Studieren der Speisekarte ins Schwelgen, in Erinnerung an das Auslandssemester in St. Petersburg, wo Marktfrauen dampfende Piroggen aus großen Bottichen heraus auf die Hand verkauften. Und tatsächlich schmecken ihm die Speisen genauso gut wie früher. Ach, und erst das Bier: Baltika! Ein Name, der für bis zu elf Volumenprozent Alkohol steht. Wer braucht da noch Wodka?
Reichhaltige Speisen von Eintopf bis Pelmeni
Eine Frage, die nach einem üppigen Menü noch einmal ganz anders klingt. Denn die Speisen im Baku haben es in sich: Der Borschtsch (4,90 Euro), ein ukrainischer Eintopf aus Roter Bete, Weißkraut und Rindfleisch, schmeckt angenehm würzig und wärmt den Magen; die Pfannkuchen mit rotem Kaviar (6,50 Euro) sind so köstlich, dass kein Krümel übrig bleibt, und sogar die Portionen der Kinder, die diese Pfannkuchen mit Hackfleisch (5,50 Euro) unverständlicherweise verschmähen und sich stattdessen auf die internationale Spezialität Pommes mit Ketchup (3,50 Euro) stürzen. Die Pelmeni Moskovskie, Teigtaschen mit Rinderhack gefüllt (13,50 Euro), und Plov „Ellada“ (15,90 Euro), Reis mit Rind- und Lammfleisch, Kastanien, Mandeln, Aprikosen und Pflaumen, sind lecker und reichhaltig; Letzteres ist vielleicht ein wenig zu gut gewürzt. Aber es stimmt, was eine Stammkundin dem Inhaber Eltchin Aliev im Vorübergehen ins Ohr säuselt: „Bei dir schmeckt doch alles, Schatzi!“
Darf es also zum Dessert ein russischer Honigkuchen oder eine Butterwaffel mit Eis sein? So gern man dem freundlichen Kellner noch einen Wunsch mit auf den Weg geben möchte – aber da müssen selbst die jungen Gäste passen. Sie verziehen sich lieber auf den Spielplatz, die Fritten abtrainieren. Ein Kaffee geht dagegen immer, und so lauscht man in die Abendsonne hinein der live gesungenen Schlager, die von Freitag bis Sonntag im Baku für Tanz und Stimmung sorgen.
In Anbetracht der doch recht folkloristischen Inneneinrichtung im Baku lautet das abschließende Urteil der Hobby-Gastrokritiker: „Nicht die Wände schmücken das Haus, sondern die Pelmeni.“
Restaurant Baku Hallerstraße 1a (Bus 4,5), T. 42 10 77 60
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