Gastronomie

Restaurant Han Yang: Niendorf, deine Perle

| Lesedauer: 6 Minuten
Marlies Fischer
Inhaberin Ming-Chu Yu kocht zu Hause deutsch.

Inhaberin Ming-Chu Yu kocht zu Hause deutsch.

Foto: Marcelo Hernandez

Übersetzt man den Namen der Inhaberin, wird ein Schmuckstück daraus. Aber auch mit ihrer Küche kann sie glänzen.

Hamburg. Ming-Chu Yu hat fast ihr ganzes Leben in Hamburg verbracht. Sie ist hier zur Schule gegangen und hat studiert, spricht mit norddeutscher Klangfärbung und singt im Chor der Universität. Aber ihr Herz schlägt seit vielen Jahren für die chinesische Küche. Und die serviert sie in ihrem Restaurant Han Yang in Niendorf.

„Ich bin in Hongkong geboren und mit 18 Monaten nach Hamburg gekommen“, erzählt die 64-Jährige. 1956 zog ihr Vater in die Hansestadt um und wurde Küchenchef im Tunhuang an den Colonnaden, dem ersten chinesischen Restaurant in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg. Als er sich eingelebt hatte, holte er Frau und Tochter nach. „Wir sind einen Monat mit dem Schiff von Hongkong nach Marseille gefahren und dann mit dem Zug zum Bahnhof Dammtor“, erinnert sich Ming-Chu Yu.

Die Wohnung der Familie in der ABC-Straße wurde zum Treffpunkt der Chinesen im Norden. Neuankömmlinge, viele davon Köche wie der Vater, kamen zu den Yus, besonders zum chinesischen Neujahrsfest. Mehr als 30 Gäste brachten dann ihre persönlichen Spezialitäten mit. „Wir haben gegessen, gesungen und vor dem Haus geböllert.“

Vater hat sich mit Restaurant Wintergarten selbstständig gemacht

Ming-Chu Yu, deren Vorname „Helle, klare Perle“ bedeutet, ging in der Neustadt zur Grundschule, machte Abitur am Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium und studierte Anglistik sowie Sinologie auf Magister in Hamburg. Von 1979 bis 1981 verbrachte sie drei Semester an der Pekinger Eliteuniversität Bei Da: „Damals galt ich halb als Chinesin, halb als Deutsche.“ Von Geburt an hatte sie einen britischen Pass, denn Hongkong war damals noch Kronkolonie. 1979 ließ sie sich in Hamburg einbürgern.

Mittlerweile hatte sich ihr Vater mit dem Restaurant Wintergarten selbstständig gemacht. Und dort arbeitete ein Koch aus Hongkong namens Cheung-Hing Fung. „Wir haben uns ineinander verliebt und in unserer Geburtsstadt geheiratet.“

1982 bekam die Familie das Angebot, ein Lokal von einem Koreaner in der Paul-Sorge-Straße zu übernehmen. „Am 1. April haben wir als Han Yang eröffnet. Das ist ein alter Name für die koreanische Hauptstadt Seoul.“ Aber Cheung-Hing Fung hatte noch keinen deutschen Pass, also ließ sich seine Frau als Geschäftsführerin eintragen. „Ich war zu der Zeit mitten im Uni-Examen. Aber das habe ich dann für die Gastronomie aufgegeben.“ Und für die drei Kinder, heute 34, 30 und 22 Jahre alt.

Vier Jahre später kam noch das Suzy Wong am Mittelweg/Ecke Milchstraße hinzu. Dass die Familie seitdem erfolgreich chinesische Gerichte in Hamburg zubereitet, hat schon der Name des Ehemanns prophezeit. „Cheung-Hing bedeutet ewiges Glück oder Freude.“

Etwa 80 Prozent sind Stammgäste

Zehn dienstbare Geister sind in Küche und Service im Restaurant gegenüber vom Tibarg-Center tätig. „Vor gut drei Jahren sind wir umgezogen, es ist alles moderner, die Lage ist besser“, sagt die Chefin. Holzstühle stehen an den weiß eingedeckten Tischen, große Fenster geben den Blick frei nach draußen. Im Sommer ergänzt die Terrasse die 90 Plätze in den zwei Räumen. Viele Pflanzen und geschmackvolle chinesische Accessoires ergänzen die Einrichtung.

Und es fehlt auch nicht der große runde Tisch mit der drehbaren Platte in der Mitte. Da werden alle Speisen aufgebaut, und jeder isst von allem. „Family style und Food-Sharing gehören in China-Restaurants schon lange dazu.“

Etwa 80 Prozent Stammgäste, unter ihnen auch viele Asiaten, registriert Ming-Chu Yu. „Zu zahlreichen Kunden haben wir ein enges Verhältnis. Sie kamen schon als Kinder zu uns und jetzt mit ihren eigenen Familien.“ Beliebt sind scharfe Gerichte mit Chili und Sezuan-Pfeffer, aber auch Peking-Ente mit Pfannkuchen und Frühlingszwiebeln. Und natürlich haben alle Speisen eine Nummer. Das macht die Bestellungen organisatorisch einfacher für die Crew, die miteinander chinesisch spricht und in der Mittagspause zusammen isst.

Aus der Shanghai-Küche kommen die pikant marinierten Gurken mit feiner Schärfe und angenehmer Säure sowie das beschwipste Huhn. Dafür wird das Geflügel in Reiswein eingelegt und schmeckt interessant. Shanghai-Style sind auch die Dim Sum aus dunklerem Weizenmehl und gefüllt mit Suppe. Einem kantonesischen Rezept folgen die Dim Sum aus Reismehl und mit Krabben-Füllung. Alles appetitlich und lecker ebenso wie das zarte Rinderfilet mit Edelpilzen und Frühlingszwiebeln sowie das gegrillte Schweinefleisch mit würziger Sauce.

Angehörige und Freunde in Hongkong

Die Familie hat noch Angehörige und Freunde in Hongkong, alle ein bis zwei Jahre wird dort Urlaub gemacht, eingekauft und neuen Küchentrends nachgespürt. Ansonsten aber gibt es spezialisierte Lieferanten für asiatische Zutaten und Gewürze, Fleisch und Fisch kommen von Hamburger Händlern. Ming-Chu Yu isst gerne italienisch und französisch. In ihrer Wohnung in Niendorf kocht sie eher deutsch, zum Beispiel Grünkohl und Spargel, Frikadellen und Gulasch. „Zu Weihnachten wollen der Sohn und die beiden Töchter gerne Gans oder Lamm.“

Apropos Kinder: „Sie haben immer mitgeholfen, aber übernehmen will keiner die Restaurants.“ Seit 37 Jahren führt Ming-Chu Yu das Han Yang, hat meist erst gegen 23 Uhr Feierabend. „Die 40 Jahre schaffe ich noch. Ich bin kein Typ für die Couch.“

Dies ist die letzte Folge von „Fischers feine Weltküche“.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: News