Die Aufmerksamkeitsspanne hat sich verändert. Durch das Internet. Klare Sache. Das Medium Buch führt längst einen Verteidigungskampf gegen die menschliche Verführbarkeit durch das Digitale. In der Branche hat das jetzt auch der Letzte gemerkt. Und dennoch gibt es weiter den Glauben an das Tiefenmedium Buch, an den langen und breiten, den gewundenen Textfluss, in den man sich hineinwagen muss. An den Text, der nicht so umstandslos bewältigt werden kann wie eine Twitter-Nachricht.

Der Berliner Verbrecher-Verlag bringt in diesem Jahr das gewichtige und wichtige Werk „Kamalatta – Romantisches Fragment“ neu heraus, ein 750 Seiten langes, radikal geschriebenes Zeugnis der linken und linksradikalen 1970er-Jahre. Mehr Literaturbrocken geht nicht, mehr Leseherausforderung, mehr Buchstaben-Konzentration.

Christian Geissler war ein Sohn der Stadt Hamburg

Also genau richtig, dass sich der Verlag und mit ihm die in Hamburg ansässige Christian-Geissler-Gesellschaft an das vor 30 Jahren erschienene „Kamalatta“ erinnerten und es nun gegen die kulturelle Verflachung ins Rennen schicken.

Es ist sowieso gut, dass es die Christian-Geissler-Gesellschaft gibt, damit ein zu Lebzeiten nach den Maßstäben des Geschäfts der anspruchsvollen und schönen Literatur zwar angesehener, aber eben auch nicht zwangsläufig massentauglicher Autor nicht der Vergessenheit anheimfällt. Geissler, ein Sohn der Stadt Hamburg, lebte von 1928 bis 2008 und schuf dabei ein aus Romanen, Lyrik und Hörspielen bestehendes Werk. Er war ein genuin linker Autor, der 30 Dokumentarfilme für den NDR machte – ein vielseitiger Schöpfer und gesellschaftlich interessierter Künstler, dem der Verbrecher-Verlag seit 2013 eine Werkausgabe und dem das Hamburger Literaturhaus nun einen Abend widmet.

Oliver Tolmein moderiert diesen Abend, an dem in der Hauptsache „Kamalatta“ im Mittelpunkt steht; der Schauspieler Robert Stadlober („Berlin am Meer“, „Das Boot“) liest aus dem Roman.

Eingebettet ist die „Kamalatta“-Veranstaltung in eine Veranstaltungsreihe, die seit zwei Wochen läuft und gleichzeitig mit dem Literaturhausabend zu Ende geht. Die Geissler-Tage rücken die Vielseitigkeit des Autors in den Mittelpunkt. So wurde einer seiner Dokumentarfilme in 3001-Kino in der Schanzenstraße gezeigt.

Als Repräsentant seiner Zeit und einer politisch denkenden Autorschaft kann Geissler auch heute noch immer neu entdeckt werden.

Christian-Geissler-Abend Moderation: Oliver Tolmein, Di 27.11., 19.30 Uhr, Literaturhaus (Bus 6), Schwanenwik 38, Tickets 12, ermäßigt 8 Euro