Kunstausstellung. Der Kunstverein zeigt das Werk des Fotokünstlers Wolfgang Tillmans in einer facettenreichen Schau

Auf die Grenzen des Sichtbaren und des fotografisch Möglichen zielt die Ausstellung des deutschen Fotokünstlers Wolfgang Tillmans, die derzeit im Kunstverein läuft. In den frühen 1990er-Jahren wurde er bekannt durch unverstellte Fotos seiner Freunde und eine aus diesem Ansatz heraus revolutionierte Modefotografie. Kürzlich hat Tillmans in der Londoner Tate Gallery und der Fondation Beyeler ausgestellt, viel höher geht’s nicht mehr hinauf.

Im Hamburger Kunstverein hat ihm Direktorin Bettina Steinbrügge ein freies Experimentierfeld überlassen. Er nutzte es für eine Ausstellung, die er aus den vergangenen 30 Jahren heraus erdacht hat. Hier, an einer der Urquellen seines künstlerischen Schaffens – Tillmans lebte von 1987 bis 1990 in Hamburg –, muss er mal keine Erwartungen erfüllen. Weder folgt die Ausstellung einer Chronologie, noch ist sie thematisch eindeutig.

Der halb abgedunkelte Raum, mit gesangsähnlicher Soundcollage atmosphärisch untermalt, wird zum Resonanzkörper für das, was seine Fotos, Drucke und Kopien an Gedanken und Gefühlen auslösen. Oft sind es Schnappschüsse junger Leute, manchmal auch Porträts.

In den Diagonalen stehen sich das Foto einer Meereswelle und ein auf dem Kopf ablaufender Film von einer Meereswelle gegenüber, vielleicht Sinnbild ewiger Wiederkehr und Vergegenwärtigung der nahen Ostsee? Über Podeste lässt sich so hoch steigen, dass der Blick nach draußen möglich wird. Durch die Häuserfassaden macht er das Nebeneinander früherer Epochen sichtbar: ­City-Hochhäuser, Chilehaus, den Turm von St. Jacobi.

Es folgen Briefmarken in Reihe, die mit einer Art Déjà-vu-Effekt veranschaulichen, welche Jahrzehnte vergangen sind. Nebeneinander liegen Briefmarken mit einem Hitler-Porträt von 1943, einem Unfall-Verhütungsappell von 1973, einer Amnesty-International-Marke von 1974 und eine, die 1975 den Drogenmissbrauch der Hippies anprangerte.

Wolfgang Tillmans Ausstellung bis 12.11. Kunstverein (U Messberg), Klosterwall 23, Di–So 12.00–18.00, Eintritt 5,-/3,- Am 11.11. Finissage ab 19.00 mit Maskenball