Können Gegenstände mit Gebrauchsspuren Aussagen über Kunst und über eine Gesellschaft treffen? Diese Frage ließe sich womöglich vor dem Besuch der aktuellen Doppelausstellung im Kunstverein stellen – und hinterher mit Ja beantworten. Ästhetisch und inhaltlich unterscheiden sich die Positionen des britischen Künstlers Prem Sahib im Erdgeschoss und die von Liz Magor in der ersten Etage. Dennoch haben beide viel Verbindendes.

Liz Magor zählt zu den einflussreichsten kanadischen Bildhauerinnen, sagt Kunstvereins-Chefin Bettina Steinbrügge. Wer die obere Etage betritt, steht erst mal vor einem Haufen ausrangierten Hausrats, vom Sofa über einen Couchtisch bis zur voll gehängten Kleiderstange. Bei Liz Magor gehe es um Realismus, um Alltagsdinge, erklärt die Direktorin. Es sei wichtig, „dass die Besucher ihre eigene Geschichte da reingeben.“ Der Sperrmüll beschreibe eine Umzugssituation, doch sonst sind ihre Skulpturen, die meistens ungeschützt auf dem Boden liegen, kleinteiliger, zarter, ja geradezu poetisch: Gleich dreimal liegt im Raum verteilt eine kleinkindgroße Puppe in eine Decke gewickelt, sodass nur ihr Schopf herausschaut. Oder ordentliche Stapel von Handtüchern dienen, nur von einer Seite einsehbar, als verstecktes Schnaps- oder Zigarettenlager. „Man geht durch den Raum und entdeckt“, sagt Bettina Steinbrügge sehr richtig. Es gehe hier aber auch ums Assoziieren.

Nein, schön ist diese Ausstellung nicht. Die Gegenstände sind etwas lapidar: „Es sind Dinge, die unterm Radar verschwinden, die sich nicht aufspielen“, sagt Bettina Steinbrügge. Letzten Endes thematisiert die Künstlerin damit das Fehlen von Wärme und Menschlichkeit – Schnaps und Zigaretten als verglimmender Trost für die Kälte des Alltags und als Symbol von Lebenslügen. Gedanken an Obdachlose, die auf Kartons schlafen, kommen angesichts der an die Wand gestellten Wellpappen auf, an die wenigen Spuren, die ein Mensch auf der ­Materie hinterlässt.

Der britische Künstler Prem Sahib passt sehr gut dazu, auch wenn seine raumgreifende Skulptur „Balconies“ stringenter ist und eine deutlichere politische Aussage hat. Aus einer ehemaligen Londoner Schwulen-Sauna stammen die abgestoßenen blauen Spinde, die Sahib im Kunstverein auf Podesten gruppiert hat – geometrische Formen, die industriell hergestellt wurden. Allerlei Aufkleber und Lebensspuren wurden darin hinterlassen, automatisch drängen sich damit also auch Fragen nach Gemeinschaft, Toleranz und sexueller Identität auf.

„Liz Magor, You, You You“; „Prem Sahib - Balconies“ dienstags bis sonntags 12 bis 18 Uhr, beide Ausstellungen im Kunstverein, Klosterwall 23, Eintritt 5, ermäßigt 3 Euro, beide Ausstellungen bis 3.9.