Malerei. Das Ernst Barlach Haus zeigt mit Carl Lohse einen Maler, der seiner Zeit weit voraus war

Es ist der Traum vieler Museumsleute, einen wertvollen Schatz zu heben, den noch niemand entdeckt hat: Karsten Müller, Direktor des Barlach-Hauses, ist sichtbar glücklich, 50 Bilder und zwei Skulpturen des fast vergessenen Hamburger Künstlers Carl Lohse (1895–1965) auszustellen.

Der frühere Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark hatte schon Lohses großes Talent festgestellt und ihn weiterempfohlen, doch dann kam der Erste Weltkrieg, und schwer traumatisiert kam Lohse zurück. Danach malte sich dieser Künstler in nur 18 Monaten, von 1919 bis 1921, alles von der Seele, was aus ihm herausdrängte, mehr als 130 Werke. Die Rezensenten bejubelten ihn, aber er verkaufte nichts. Danach hörte er auf zu malen, ging zu den Zeugen Jehovas, die Nazis sortierten ihn aus, und in der DDR war sein Freigeist auch nicht gelitten.

Augenscheinlich schön, wie die Bilder von Ernst Eitner im nahen Jenisch-Haus, sind die von Lohse nicht. Aber kraftvoll, farbintensiv, mutig und entschieden in der Pinselführung. Lohse ist ein Lichtzauberer, der vielen Bildern ein inneres oder ein loderndes Feuer, ein Glimmen oder Schimmern zu geben versteht. Manches verschachtelte Stadtpanorama hat etwas Comichaftes. Die Landschaften zeigen, dass Lohse nicht in engen Kategorien wie „abstrakt“ und „figürlich“ dachte, sondern seiner Mallust folgte, bis hin zu einer dunkelroten Landstraße, die von einem bräunlichen Himmel überwölbt wird, und einem Blumengarten, der aus wilden Farbwirbeln besteht.

Besonders verblüffend und kunsthistorisch einzigartig sind zwei Köpfe aus Gips: Lohse hat sie bearbeitet, ausgehöhlt, deformiert – wodurch er womöglich einer Aussage über den seelischen Zustand des Dargestellten näher kommen wollte. Ebenso wie die im größten Raum um ihn aufgehängten Porträts, in denen sich der Maler vollkommen freigemalt hat: Seinen Freund Ludwig Renn malte er in dem Bild „Roter Klang“ aus den groben Umrissen des Gesichts mit unterschiedlichen Rottönen. Es sieht fast aus, als stamme es von Andy Warhol, der erst 50 Jahre später eine ähnliche Wirkung mit seinen Siebdrucken erzielte. Diese Ausstellung sollte kein Freund künstlerischer Freiheit versäumen.

Carl Lohse Ausstellung Ernst Barlach Haus (S Klein Flottbek), Baron-Voght-Str. 50 a, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 7,-/5,-; bis 12.11.