Ausstellung. Die Schau „Hamburger Fußball im Nationalsozialismus“ zeigt auch die späte Aufarbeitung der Geschichte

Der Fußball rollt nicht mehr – vorerst. Mit dem Finale der Champions League zwischen Juventus Turin und Real Madrid am Sonnabend ist die letzte Entscheidung dieser Saison im milliardenschweren europäischen Ball-Business gefallen. Zeit auch für hanseatische Fußballfans, innezuhalten oder zurückzublicken – etwa auf ein hiesiges dunkles Kapitel und den Umgang damit. In der Zentralbibliothek ist das beim „Hamburger Fußball im Nationalsozialismus“ (Untertitel: „Eine jahrzehntelang verklärte Geschichte“) möglich.

In der gleichnamigen Ausstellung, die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erarbeitet wurde, zeigt sich auf anschauliche und umfangreiche Weise, welche Folgen die NSDAP-Sportpolitik auf den Fußball hatte. Mit Maßregelungen, Verboten, Verfolgungen.

Ende der 1920er-Jahre war der Fußball auch in Hamburg zum Massensport geworden. Die Schau dokumentiert – nach Themen unterteilt – mit historischen Schwarz-Weiß-Fotos und Zeitungsartikeln sowie Begleittexten, wie nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland 1933 erst Arbeitersportvereine wie der SC Lorbeer 1906 (Heimat von Uwe Seelers Vater Erwin), dann bürgerliche Hamburger Clubs wie der SC Victoria oder der Eimsbütteler TV „gleichgeschaltet“ wurden: Linientreue Vereinschefs ersetzten die Vorsitzenden, oder aber diese passten sich an. Es galt das „Führerprinzip“, die rassistische Nazi-Ideologie breitete sich aus; Arbeitersportbewegung und jüdische Vereine wurden gänzlich verboten, Menschen verhaftet und ermordet. Unter dem Titel „Sport im Schatten der Verfolgung“ widmet sich die Schau auch diesem traurigen Kapitel.

Erschreckend, wie lange die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit auch beim HSV und FC St. Pauli dauerte. So ist Otto „Tull“ Harder, in den 20er-Jahren das HSV-Sturmidol, später SS-Mann, KZ-Kommandant und dann verurteilter Kriegsverbrecher, mitsamt dessen Verehrung im Verein ein Thema für sich. Bei St. Pauli steht Wilhelm Koch im Fokus, der seit 1937 NSDAP-Mitglied war und den FC von 1933 bis 1945 und 1947 bis 1969 führte.

Diese Schau dauert 90 Minuten – und wenn man will, noch länger: Ergänzend folgen die späte Aufarbeitung des Geschehens im Nationalsozialismus sowie gegenwärtige Entwicklungen in Hamburger Fußballszenen. Etwa der Aufkleber „St.-Pauli-Fans gegen Rechts!“ Das Motiv kreierte 1990 Fanladen-Mitarbeiter Sven Brux; es wurde bundesweit oft kopiert. Heute ist Brux als Sicherheitsbeauftragter einer der dienstältesten Mitarbeiter St. Paulis.

„Hamburger Fußball im Nationalsozialismus“ bis 29.6., Mo–Sa, 11.00–19.00, Zen­tralbibliothek (U/S Hbf.), Hühnerposten 1/
Eingang Arno-Schmidt-Platz, Eintritt frei