Einen sterilen weißen Galerieraum sucht man vergeblich: Wer die wenigen verwarzten Stufen zur Galerie Speckstraße erklommen hat, den erwartet inhaltlich und ästhetisch etwas anderes als in gängigen kommerziellen Galerien. In der heruntergekommenen Beletage des noch unrenovierten Gängeviertel-Hauses haben sich 20 lose vernetzte Fotografinnen und Fotografen zusammengetan und gemeinsam eine Ausstellung entwickelt, die sich mit dem Thema Krise befasst. Titel: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.

Unübersehbar war die Galerie früher eine Mietwohnung, in der viele unterschiedliche Menschen Tapeten geklebt, Farbe aufgestrichen, Nägel in die Wände gehauen haben. Diese jahrzehntealte Patina ist Teil des „vielstimmigen Konzerts“ der 50 meist dokumentarischen Bilder, die gemeinsam aus 350 Fotos ausgewählt wurden. „Vieles wird schnell zur Krise erklärt“, sagt Fotograf Philipp Meuser. Der gängige Krisen-Begriff wurde deshalb in diversen Aspekten untersucht und kritisch hinterfragt.

Wann zum Beispiel das mulmige Gefühl von Krisenhaftigkeit entsteht, wird im ersten Raum angedeutet: Jonas Fischer fotografierte einen Schweizer Felsblock, den nur Eingeweihte als Naturimitat und Bunker entlarven können. Auch Philipp Meuser bewegt sich auf einem Terrain der Verunsicherung: Er befasst sich wiederholt mit Überwachung und einer „Architektur der Angst“. Ganz real hat sich dagegen der Reportagefotograf Robin Hinsch in den ukrainischen Bürgerkrieg gestürzt. Er zeigt behelmte und barhäuptige Männer im Sturm auf ein Ziel, das außerhalb des Fotos liegt.

Dass auch der Rückzug Ausdruck und Folge einer Krise sein kann, drückt eine Gruppe Fotografen aus, die künstliche (Freizeit-) Welten fotografiert haben, Räume ekstatischer Verheißung oder einen einsamen Alkohol-Absturz hinterm Mülleimer. Ein anderes Foto von Kolja Warnecke und Philipp Meuser zeigt einen halbnackten Aussteiger mit seinem Pferd – auch das funktioniert als Antwort auf eine Krise.

Offen assoziativ treten Fotos zueinander in Beziehung, die im anderen Galerieteil hängen: Auf einem Foto drei Schaltknöpfe, und daneben die Aufnahme eines Signalfeuers, das den umliegenden Himmel rot einfärbt – Gedanken an Knopfdruck und Bomben-Explosion drängen sich auf, zumal gleich daneben auf einem Schwarzweiß-Foto eine Frau die Hände vors Gesicht hält, um nicht geblendet zu werden. Und so kann man sich als Besucher seine eigene Geschichte zu Krise, Bedrohung, Rückzug und Zukunftsträumen zusammensetzen – und weiter darüber nachdenken, wenn man längst zuhause ist.

„Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ bis 7.5., Galerie Speckstraße, Speckstraße 83-85, dienstags bis sonntags von 16 bis 20 Uhr, Eintritt frei