Film. Regisseur Christian Hornung präsentiert seine St.-Pauli-Doku „Manche hatten Krokodile“ im Abaton-Kino

Lotti, 1931 auf St. Pauli geboren, ist gelernte Fotolaborantin, blieb aber in der Kiez-Gastronomie hängen, weil man dort mehr verdiente. Jimmy ist 1973 aus der DDR „durch die Elbe in den Westen geschwommen“ und dann zur See gefahren. Julia hat als Tänzerin „in zehn Läden gearbeitet, die es heute nicht mehr gibt“. Alle drei sind Stammgäste im Lokal Utspann an der Talstraße und zusammen im Sparclub.

Menschen wie sie spielen die Hauptrollen in Christian Hornungs Film „Manche hatten Krokodile“, eine Milieustudie über St. Paulis letzte Rückzugsgebiete. In Raucherkneipen wie Utspann, Kaffeepause oder Hong Kong Bar treffen sich alte Seefahrer und Tänzerinnen, pensionierte Transen, Kellnerinnen und Wirtschafter. „Hier lebt noch ein besonderer Menschenschlag“, sagt Lotti – drumherum tobt schon die Gentrifizierung.

Über zwei Jahre hat Hornung Hunderte Stunden lang in dieser kleinen Parallelwelt zwischen Touristen- und Partylokalen recherchiert und an Tresen zugehört, denn hier wird viel erzählt: von den goldenen Zeiten in den 70er- und 80er-Jahren, als nicht nur für Straßenmädchen und Zuhälter, sondern auch für das Amüsierpersonal viel Geld zu verdienen war, weil die See­leute ihre Heuer gern unter die Leute brachten. Geblieben ist nicht viel.

Die Sparclubs sind quasi der rote Faden des Films. Wer spart, redet über Geld, über Lebenslust und Sicherheitsbedürfnis, über Leichtsinn und den Preis, den man dafür gezahlt hat. Und so öffnet der Film einen Blick in Schicksale, Erlebnisse und Irrtümer, die zu St. Pauli gehören wie Sparschrank und Glücksspielautomat. Die hängen in vielen der alten Anwohnerkneipen dicht nebeneinander. Wer Geld beim Spiel gewinnt, stopft einen Teil gleich in den Schlitz seines Nummernfachs. Sparclubs sind für viele dort fast die einzige Vorsorge.

Der Film ist nicht nur Milieustudie, sondern auch Liebeserklärung an die Menschen, die sich auf dem Kiez durchs Leben kämpfen und mit Witz und Wehmut davon erzählen. Während andere St.-Pauli-Filme Rotlichtzeiten oder Gentrifizierung zum Thema machen („St. Pauli Zoo“, „buy buy St. Pauli“), hält sich Hornung an die letzten Kiez-Mohikaner. Man möchte ihnen stundenlang zuhören.

„Manche hatten Krokodile“ mit Regisseur Christian Hornung Mo 23.1., 20.00, Di 7.2., 20.00, So 2.4., 11.00, Abaton (Bus 4, 5), Allende-Platz 3, Karten zu 8,-/erm. 7,50