Hamburg. Nach 33 Jahren geht es für den Geschäftsführer in den Ruhestand. Er kann durchaus auf einige große Erfolge zurückblicken.

Vor vielen Monden, genau vor 33 Jahren, kam Dr. Hubert Erhard in die Geschäftsführung des Berufsgenossenschaftlichen Klinikums Hamburg: „Wir waren noch längst nicht im Krankenhausbedarfsplan aufgeführt“, erinnert sich der 70-Jährige, der sich jetzt in den Ruhestand verabschiedet - und auf durchaus große Erfolge zurückblicken kann. Hatte das Unfalllkrankenhaus 1997 noch 450 Betten, sind es heute 735, davon werden 60 Prozent berufsgenossenschaftlich belegt. „Wir wollten nie eine Konkurrenz zur Bergedorfer Bethesda-Klinik sein, mit deren Inneren wir gut zusammenarbeiten“, betont Erhard, der weitere Kooperationen etwa in der Allgemeinmedizin mit dem Uniklinikum Eppendorf vorangebracht hat.

Sein Hauptaugenmerk habe immer dem Behindertensport gegolten: „Da lassen sich schnelle Erfolge erzielen, die die Lebensqualität erhöhen. Und genau das wollten wir uns von den Leistungssportlern auch für alle anderen Patienten abgucken“, erklärt er. Ein Beispiel: Wenn einem Spitzensportler gewisse Ernährungsergänzungsstoffe nachhaltig helfen - so könnte das ebenso einem Bauarbeiter oder Landwirt gut gut. Davon können alle lernen.

Dr. Hubert Erhard verlässt das Unfallkrankenhaus Boberg

Dass bei jedem Leistungsträger auch Erholungsphasen wichtig sind, zeige sich schon beim Fußball: Nur zwölf Prozent aller Verletzungen resultieren aus Fouls, alles anderes habe mit einem guten Training zu tun: „Und die Spieltage dürfen nicht so dicht liegen, es braucht eben Regeneration“, weiß Dr. Erhard, der den Reha-Bereich der Klinik auf heute 250 Therapeuten erweiterte und den Therapie-Chef auf gleicher Ebene mit dem Ärztlichen Direktor ansiedelte.

Nicht erst, seitdem der HSV als Kooperationspartner für den Behindertensport gewonnen werden konnte, liegt ihm das Projekt „Inklusion durch Sport“ sehr am Herzen „Vielleicht bin ich ein bisschen sozialromantisch“, meint der Jurist, der als kleiner Junge lieber Rennfahrer geworden wäre. Es gehe doch überall um Rücksicht und Verständnis: „Wir waren die ersten hier, die Schulklassen dazu eingeladen haben, mal einen ganzen Tag im Rollstuhl zu verbringen. Inzwischen ist das ein bundesweites Projekt, auf das ich stolz bin.“ Und dabei bleibe noch eine Vision, die die Paralympics obsolet machen könnte: „Nämlich, dass es irgendwann keinen Behindertensport mehr geben wird, sondern alle gemeinsam antreten, nur eben in verschiedenen Kategorien.“

Hälfte des Hauses hat immer noch Dreibett-Zimmer

Dass Berufsgenossenschaftliche Kliniken die Akutmedizin und die Reha verzahnen, sich lebenslang für die Geschädigten zuständig fühlen, ist eine Besonderheit, betont Dr. Erhard: „Daher ist es ein großer Erfolg, dass die Vergütung außerhalb des Krankenhausentgeldsystems geregelt wird, damit auch Querschnitt- und Brandverletzte von hausinternen Fallpauschalen profitieren.“

Genau gerechnet werden müsse aber dennoch, schließlich „haben wir eine sehr gute Medizin. Aber die Hälfte des Hauses hat noch immer Dreibett-Zimmer“, so der scheidende Geschäftsführer. Man müsste nicht unbedingt wachsen, würde aber doch allzu gern die 120 Betten aus den Pavillons in ein richtiges Haus aus Stein verlegen. Und dafür braucht es nunmal Platz. „Wir könnten unsere Pflegeschule auslagern und zugleich von 75 auf 120 Plätze erweitern. Dafür suchen wir eine Immobilie in Bergedorf und sind schon mit dem Bezirksamtsleiter im Gespräch.“

Machbarkeitsstudie: Neubau nahe der A-25-Ausfahrt Bergedorf

Zur weiteren „Ertüchtigung der Klinik“ wäre auch ein kompletter Neubau denkbar – etwa nahe der A-25-Ausfahrt in Bergedorf. Dazu ist aktuell eine Machbarkeitsstudie in Arbeit, allerdings: „Wir werden ja von den Arbeitsgebern finanziert, da hat die Pandemie gerade eine große Auswirkung. So kann es sein, dass bei der gesetzlichen Unfallversicherung schneller eine Entscheidung gegen einen neuen Standort fällt“, glaubt der Jurist. „Aber unser Haus ist ja kein Sanierungsfall. Auch, wenn wir an das Landschaftsschutzgebiet grenzen, so haben wir doch noch einen bebaubaren Parkplatz“, überlegt Dr. Erhard.

Alle weiteren Gedanken dazu wird er aber seinen Nachfolgern überlassen. Dr. Harald Müller, Kaufmännischer Leiter des Kinder-UKE, wird ab Februar die Boberger Geschäfte führen. Schon im Januar wird Christian Dreißigacker die vorsitzende Geschäftsführung übernehmen – so wie er es bereits in den BG-Kliniken Berlin und Halle tut.

So ganz werde er sich aber nicht zur Ruhe setzen, gesteht der 70-jährige Erhard. Denn zum Jahreswechsel erwarte er eine Reform zur Einstufung der Berufskrankheiten: „Das heißt, dass die Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit künftig wegfällt.“ Genau in diesem Feld wolle er sich weiter engagieren, denn: „Wenn die Menschen besser geschult sind, sich weniger verletzen, dann spart das eine teure Umschulung und sie können in ihren Berufen glücklich bleiben. Wichtig bleibt die individuelle Prävention.“