Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren für die Aufnahme der Flüchtlinge aus Afghanistan in Geesthacht.

Geesthacht. In der vergangenen Woche wurde ein langgehegter Wunsch von Karl Herrmann Rosell endlich erfüllt. Der bis dahin erste Vorsitzende der Geesthachter Flüchtlingshilfe hatte bereits anlässlich der geplanten Jahresversammlung im März 2020 angekündigt, wegen seiner Mehrfachbelastungen nicht mehr kandidieren zu wollen.

Daraus wurde nichts, denn dann kam Corona, und Rosell hielt durch. Bei der Mitgliederversammlung vergangene Woche trat schließlich Karsten Renner zur Wahl zum Vorsitzenden an und wurde mit 19 Jastimmen bei einer Gegenstimme gewählt. Einen zweiten Vorsitzenden gibt es nicht.

Angesichts der aktuelle Lage in Afghanistan erwartet die Flüchtlingshilfe neue Aufgaben

Der neue Vorsitzende erwartet, dass die Geesthachter Flüchtlingshilfe künftig wieder stark gebraucht wird: „Wir möchten uns neu aufstellen angesichts dessen, was auf uns zu kommt“, sagt Karsten Renner. „Wir werden alle viel zu tun bekommen“, befürchtet er angesichts der Situation in Afghanistan.

Bisher spiegeln die Zahlen in Schleswig-Holstein dies noch nicht wieder. „Im Juli 2021 sind 231 Geflüchtete nach Schleswig-Holstein gekommen. Das sind rund 17 Prozent weniger als im Juni. 96 von ihnen wurden in andere Bundesländer weitergeleitet“, berichtet das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge.

Kreisverwaltung fehlen für eine konkrete Einschätzung noch Fakten

Die meisten Geflüchteten kamen aus Syrien (93,) gefolgt von Irak (47) und Afghanistan (30). Zudem wurden acht Menschen aus dem Kreis der afghanischen Ortskräfte und deren Kernfamilien aufgenommen. Sie gelten nicht als Asylbewerber, sondern bekommen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (nach § 22 AufenthG). 2021 seien es bisher 91 Personen aus diesem Kreis gewesen.

„Im Zusammenhang mit der Krise in Afghanistan fehlen der Kreisverwaltung für eine konkrete Einschätzung noch Fakten“, teilt der Sprecher der Kreises Herzogtum Lauenburg, Tobias Frohnert, auf Anfrage mit. Die Vorbereitung bestehe derzeit vor allem in Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Dazu gebe es einen regelmäßigen Austausch mit den Behörden.

Die Vorbereitungen in Geesthacht sind in vollem Gange

Die Stadt Geesthacht hat sich bereits mit den Betreibern der Flüchtlingsunterkunft an der Mercatorstraße in Verbindung gesetzt. Die Vorbereitungen in den Verwaltungen von Land, Kreis und auch in der Stadt Geesthacht laufen an, um schnell auf einen neuer Flüchtlingszustrom reagieren zu können.

Derzeit ist die Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan überschaubar. 177 Personen wurden im Zeitraum Januar bis Juni im Lauenburgischen gezählt, Afghanistan, Syrien und auch die Türkei waren Haupt-Herkunftsländer. Dieser Wert zur Jahresmitte liegt etwas über dem Trend der Vorjahre. 2019 kamen insgesamt 293 Flüchtlinge im Kreis an, 2020 waren es 262.

Zwei Programm für Flüchtlinge aus Afghanistan im Kreis

„Für Menschen, die aus Afghanistan geflüchtet sind, gibt es in Schleswig-Holstein zwei Programme“, berichtet Tobias Frohnert, der Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg. Das erste ist auf Ortskräfte und deren Familien gerichtet. Für diese soll es eine Bleibeperspektive sowie direkten Arbeitsmarktzugang geben.

Im zweiten Programm geht es darum, Frauen von hier lebenden Afghanen aufzunehmen wie Mütter, Schwestern, Ehefrauen. Hier werden circa 300 Menschen für das ganze Land erwartet, nach dem Verteilerschlüssel erwartet der Kreis Herzogtum Lauenburg etwa 20 bis 25 Personen. „Mit dem, was angekündigt wurde, kommen wir locker klar“, meint Tobias Frohnert.

Wiedereröffnung der Gemeinschaftsunterkunft in Gudow zum rechten Zeitpunkt

Es trifft sich gut, dass die Wiedereröffnung der wegen eines Brandes geschlossenen Gemeinschaftsunterkunft in Gudow im Laufe des Septembers erfolgen soll. Der Neubau kann weiter genutzt werden. Je nach familiärer Konstellation können etwa zehn bis zwölf Personen untergebracht werden, zusammen mit dem abgebrannten Altbau waren es früher bis zu 46 Menschen.

Auch die Stadt Geesthacht ist nicht untätig. Die Fachstelle für Wohnungshilfe hat in Gesprächen mit den Betreibern der Flüchtlingsunterkunft an der Mercatorstraße die DRK Betreuungsdienste – die Lage sondiert. „Geesthacht ist zurzeit ziemlich gut aufgestellt“, urteilt Stadtsprecher Torben Heuer. Derzeit seien bis zu 46 Menschen aufnehmbar. 16 weitere, wenn zurzeit anders genutzte Räume umgerüstet würden. Es gäbe auch die Möglichkeit, zwei bis drei Wohnungen zur Verfügung zu stellen. „Mit diesem Puffer sind wir in der Lage, schnell reagieren zu können“, sagt Heuer.

Erste Flüchtlinge aus Afghanistan kamen „ohne Geld, ohne alles“

Das erste Ehepaar ist schon da, berichtet Karsten Renner von der Geesthachter Flüchtlingshilfe. „Kürzlich ist ein Pärchen aus der Erstaufnahmeeinrichtung Neumünster an der Mercatorstraße angekommen – ohne Geld, ohne alles. Sie mussten die Heimat Hals über Kopf verlassen.“

Die Lager der Flüchtlingshilfe sind gut gefüllt, das mittellose Paar konnte mit dem Nötigsten versorgt werden. Wer etwas spenden will, sollte die Sachen nicht vor die Tür am Neuen Krug 33-35 stellen, sondern die Lieferung mit der Flüchtlingshilfe absprechen (0157/ 73 75 72 59 mit Mailbox; info-fhg@web.de).

Flüchtlingshilfe will in den sozialen Medien aktiv werden

Geleert wird indes das Lager der Fahrradwerkstatt. Schrotträder holt ein Altmetallhändler ab, sodass Platz für – gespendete – neue ist. Ein Werkstattleiter ist mit Andreas Kandler auch gefunden worden. Öffnungszeiten sind Montag und Mittwoch jeweils von 16.30 bis 18.30 Uhr.

Der neue Vorsitzende Karsten Renner will einiges ändern. „Warum nicht die Flüchtlinge generell an Tätigkeiten beteiligen – mit ihnen tätig sein statt nur für sie?“, fragt er. Auch der Auftritt in den sozialen Medien soll aufgebaut werden, um auch Jugendliche zu erreichen. Einmal hat es schon geklappt: Seine 15-jährige Tochter möchte jetzt Mitglied werden.