Monte Carlo/Hamburg. Herrentennis-Organisation legt Veto gegen europäische Titelvergabe ein. Warum das Turnier nun Hamburg European Open heißen muss.

Es war eine illustre Runde, die sich am Donnerstagnachmittag in Monte Carlo traf, um mit den neuen Veranstaltern Peter-Michael Reichel und seiner Tochter Sandra Reichel über das Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum zu reden.

Chris Kermode, Präsident der Herrentennisorganisation ATP, hatte ans Mittelmeer eingeladen; an seiner Seite sein britischer Landsmann und Vizepräsident David Massey, dazu der Österreicher Herwig Straka, der neue Europavertreter der Tennisprofis. Hamburgs Sportsenator Andy Grote hatte seinen Sportstaatsrat Christoph Holstein (beide SPD) nach Monaco geschickt, um die Interessen der Stadt zu vertreten, die sich um den Ruf einer ihrer traditionsreichsten und bekanntesten Sportveranstaltungen sorgte.

Das Wort Championchips musste gestrichen werden

Nach der knapp zweistündigen Unterredung stand dann fest: Das Turnier am Rothenbaum darf sich nicht, wie am 25. Februar im Rathaus von den Reichels mit Vertretern des europäischen Verbandes Tennis Europe (TE) verkündet, Hamburg Open European Tennis Championships nennen. Der neue Titel lautet jetzt: Hamburg European Open.

Die ATP bestand darauf, das Wort Championships (Meisterschaften) aus dem Namen zu streichen und verbot, dass in Hamburg vom 20. bis 28. Juli erstmals in der Geschichte ein Europameister ausgespielt wird. Bisher gab es dieses Format im Profitennis nicht.

v.l. Veranstalter Peter-Michael Reichel, Turnierchefin Sandra Reichel.
v.l. Veranstalter Peter-Michael Reichel, Turnierchefin Sandra Reichel. © WITTERS | TayDucLam

Die Begründung: Die Veranstaltung in Hamburg gehört mit einem Preisgeld von knapp zwei Millionen Euro nur zur ATP-Kategorie 500, der Turniersieger erhält 500 Weltranglistenpunkte. Da in Europa mit Monte Carlo (14.– 21. April), Madrid (5.–12. Mai) und Rom (12.– 19. Mai) drei hochwertigere Masters­turniere um fünf bis sechs Millionen Euro Prämien ebenfalls auf Sand gespielt werden, die Sieger bekommen 1000 Punkte, dürfe in Hamburg kein EM-Titel vergeben werden. Das würde niemand verstehen.

Reichels wurden von der Entwicklung überrascht

Offenbar Hintergrund der Aufregung: Mehrere Turnierveranstalter, aktuelle und ehemalige, hatten in den vergangenen Wochen bei der ATP nachgefragt, wie diese EM-Vergabe zustande kam.

Die Reichels wurden von der Entwicklung überrascht. Die Regularien der ATP hätten die Austragung einer Europameisterschaft ausdrücklich erlaubt, sagen sie, auch der Europaverband hatte schließlich keine Bedenken. Und als die Marketingabteilung der ATP Ende Januar das neue Logo mit ebendiesem Schriftzug genehmigte, waren für die neuen Lizenzinhaber alle Zweifel ausgeräumt. Jetzt stellte sich heraus: Die Absicht, in Hamburg eine EM zu spielen, war bei der ATP zwar bekannt, nicht aber in den höchsten Führungskreisen. Das führte zu den jüngsten Verstimmungen.

Die scheinen nun nach dem Treffen in Monte Carlo ausgeräumt. „Das waren konstruktive Gespräche, die ATP hat verstanden, dass wir den Rothenbaum aufwerten wollen und uns ihre Unterstützung versprochen. Mit der neuen Lösung können wir gut leben“, sagte Peter-Michael Reichel. Wie die Hilfen der ATP kurz- oder mittelfristig aussehen könnten, muss noch erörtert werden.

Rothenbaum wurde 2008 trotz heftiger Proteste herabgestuft

Die Herrentennisorganisation hatte 2008 den Rothenbaum trotz heftiger Proteste des Deutschen Tennisbundes (DTB) aus der Masters- in die 500er-Kategorie herabgestuft und den Spieltermin aus dem Mai in den Juli verlegt. Zu diesem Zeitpunkt – zwischen Ende der Rasen- und Beginn der nordamerikanischen Hartplatzsaison – kehren nur wenige Spitzenspieler auf die langsameren Sandcourts zurück. Darunter litt das Turnier in den vergangenen Jahren.

Auch Michael Stich, Turnierdirektor von 2009 bis 2018, schaffte trotz aller Anstrengungen die Quadratur des Kreises nicht. Vor fünf Jahren hatte Stich laut eigener Aussage der ATP ebenfalls die Idee vorgetragen, in Hamburg den Europameister auszuspielen, auch weil ihm von der Stadt eine Erhöhung der Zuwendungen für diesen Fall avisiert worden war. Auch damals lehnte die ATP ab.

Sportstaatsrat Holstein kehrte mit gutem Gefühl zurück

Der DTB hatte vor zehn Jahren vor einem US-Gericht wegen der Abwertung des Turniers gegen die ATP geklagt, verlor jedoch den Prozess – und Millionen an Anwalts- und Gerichtskosten. Um das seit 1892 gespielte Traditionsturnier wieder aufzupolieren, waren die Reichels auf die Idee mit der Europameisterschaft gekommen. Die ATP lobte diese Bemühungen jetzt ausdrücklich und erlaubte, am Rothenbaum, wie geplant, eine U-21-EM für Junioren und Juniorinnen auszutragen, dieses Jahr und in allen weiteren. Sie soll vom 25. bis 28. Juli auf der Anlage gespielt werden. Sportstaatsrat Holstein flog deshalb mit einem guten Gefühl nach Hamburg zurück: „Das war eine angenehme Gesprächsatmosphäre, das Bemühen nach Lösungen war jederzeit erkennbar. Die ATP hat verstanden, worum es uns geht. Auch sie will dem Turnier wieder Schwung geben.“ Die Stadt jedenfalls werde das Event weiter mit Rat, Tat und finanziell unterstützen.

Von den Umbaukosten des Rothenbaums von zehn Millionen Euro übernehmen Stadt und DTB wie verabredet jeweils eine Million, acht Millionen zahlt die Alexander-Otto-Sportstiftung. Dieses Jahr wird das mobile Dach erneuert, bis Juni 2020 werden Stadion und Nebenplätze modernisiert. Die ATP-Führung zeigte sich darüber hocherfreut. Schließlich bleibt der Rothenbaum das bedeutendste Turnier auf dem auch für die ATP wichtigen deutschen Markt.