Hamburg. Große Geschäfte sind in der Mönckeberg- und der Spitalerstraße nur noch wenig gefragt. Möbelhändler verdrängen Mode-Shops

Im besten Umfeld sind die Läden von Armani, Dolce & Gabbana und Chanel am Neuen Wall derzeit nicht platziert. Baustellen und Leerstand in drei Geschäften prägen das Bild in dem Abschnitt der Straße, in dem die Luxuslabels ihre Waren verkaufen. So schnell wird sich die Situation auch nicht ändern. Das Görtz-Palais, von dem nur noch die Barock-Fassade steht und das zum Ensemble der Stadthöfe gehört, wird erst im nächsten Jahr fertiggestellt.

„Die Situation ist für neue Mieter schwierig, wenn sie sich mit einem Mietvertrag zehn Jahre binden müssen“, sagt Dirk Wichner, Einzelhandelsexperte beim internationalen Maklerunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL). Denn es sei nicht klar, wie sich der Neue Wall künftig entwickle. „Das verunsichert potenzielle Mieter“, sagt Wichner. Bereits vor drei Jahren war der Discounter Lidl für kurze Zeit mit einem Pop-Up-Store seiner Textilmarke Esmara zwischen die Luxusläden gegrätscht. Die Unsicherheit und vor allem eine geringere Nachfrage nach großen Ladenflächen, wie sie derzeit am Neuen Wall leerstehen, haben Folgen: Die Mieten sinken. „In der Spitze bis zu 40 Prozent und im Durchschnitt um 20 bis 25 Prozent“, sagt Wichner.

Mieten sinken auch am Jungfernstieg

Hamburgs Einzelhandel ist im Umbruch. Das zeigt sich nicht nur am Neuen Wall. Nach jahrelang steigenden Einzelhandelsmieten hat sich die Lage gewandelt. „Während die Mieten in den Nebenlagen schon seit längerem sinken, registrieren wir in Spitzenlagen zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine Stagnation oder gar einen Rückgang der Mieten“, sagt Sven Bechert, Bereichsleiter Einzelhandel beim Hamburger Maklerunternehmen Grossmann & Berger. Der Experte vermittelt seit fast 30 Jahren Einzelhandelsflächen in Hamburg. Betroffen sind Hamburgs prominenteste Lagen wie Mönckebergstraße, Spitalerstraße oder Jungfernstieg. „Bei großen Flächen in den Spitzenlagen wie Mönckebergstraße sehen wir im Vergleich zum Vorjahr Abschläge von bis zu 20 Prozent. Kleine Einheiten bis zu 500 Quadratmeter Ladenfläche stagnieren erstmals bei den Mieten“, sagt Bechert.

Die Spitalerstraße ist die Einkaufsstraße Hamburgs mit den höchsten Quadratmeterpreisen. Für kleinere Flächen bis 120 Quadratmeter liegt die Spitzenmiete dort bei 290 Euro. Mit kleineren Läden, die nach wie vor gefragt sind, versuchen die Unternehmen ihre Effizienz zu steigern. So waren im vergangenen Jahr mit 42 Prozent der abgeschlossenen Mietverträge vor allem kleine Flächen bis 120 Quadratmeter im Fokus der Einzelhändler. Für größere Flächen von 300 bis 500 Quadratmeter liegt die Spitzenmiete in der Spitalerstraße nunmehr noch bei 180 Euro, so der Marktreport von Grossmann & Berger. Am Jungfernstieg werden noch Spitzenmieten von 80 Euro (große Flächen) und 200 Euro (kleine Flächen) aufgerufen.

Weniger Passanten in Hamburgs Einkaufsstraßen

Einer der Gründe für sinkende Mieten: Es kommen immer weniger Passanten in Hamburgs Einkaufsstraßen. Das betrifft nicht nur die Spitalerstraße, sondern auch Jungfernstieg oder Poststraße, wie eine Passantenfrequenzzählung von JLL zeigt. Die Spitalerstraße ist demnach zwar im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2018 noch Hamburgs meistfrequentierte Einkaufsmeile mit 9425 Passanten in der Stunde, erreichte aber im Frühjahr 2018 nur noch 6900 Besucher, was einem Rückgang von knapp 27 Prozent entspricht. Im Vergleich zur Mönckebergstraße hat die Spitalerstraße stärker an Attraktivität verloren.

Doch mit den niedrigeren Mieten kommt auch mehr Bewegung in Hamburgs Einkaufsmeilen. „Das ermöglicht die Etablierung innovativer Konzepte auf dem Hamburger Markt und die Erweiterung des Branchenmixes“, sagt Bechert.

Auf der Mönckebergstraße finden sich drei neue Ladenkonzepte auf einer Distanz von nur 100 Metern. Auf einer Fläche von 750 Quadratmetern hat H & M seinen neuen Home-Sore eröffnet, den zweiten in Deutschland nach München. Präsentiert werden die neuesten Trends und Produkte aus den Bereichen Möbel, Lampen und Wohntextilien. Bei der Auswahl und Gestaltung hat sich die schwedische Modekette an kosmopolitischen Hotels orientiert.

Drei neue Handelskonzepte auf der Mönckebergstraße

„Wir wollen unseren Kunden Inspirationen beim Einkaufserlebnis liefern“, sagt Evelina Söderberg, Designchefin bei H& M Home. Dazu dienen festlich gedeckte Tische, auf denen das Sortiment präsentiert wird. Die Produkte für Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad werden auf zwei Etagen verkauft. „Wir wollen noch viele dieser Geschäfte in Deutschland eröffnen, benötigen dazu aber auch geeignete Ladenflächen“, sagt Anders Sjöblom, der das Home-Geschäft weltweit verantwortet.

In unmittelbarer Nachbarschaft hat H & M ein weiteres neues Geschäft eröffnet. Der Arket-Shop wartet mit minimalistischen Modebasics für Frauen, Männer und Kinder im mittleren Preissegment auf. Außerdem hat Arket Dekoartikel, Hautpflege-Produkte, Schreibwaren und Bücher im Angebot. Arket, auf Schwedisch bedeutet das „ein Blatt Papier“, hat mit den klassischen H&M-Filialen nichts mehr gemein. Der Konzern versucht seit geraumer Zeit, sich mit verschiedenen Konzepten von der schnellen Mode zu differenzieren, mit der er bekannt und erfolgreich geworden ist.

Das dritte neue Shop-Konzept ist der neue Laden von Bonprix: Ein digitales Verkaufskonzept nur für Frauen. Mit einer App wählen die Kundinnen, die Kleidungsstücke aus, die ihnen in die Umkleidekabine gebracht werden. Jedes Modell hängt nur einmal auf dem Bügel und nicht in verschiedenen Größen und Farben.

Gut 100.000 Quadratmeter Ladenfläche kommen hinzu

„Onlineanbieter entdecken die Vorteile von stationären Standorten und Möbelfachgeschäfte können sich stärker als bisher in der Innenstadt präsentieren“, sagt Bechert. So ist der Online-Modeanbieter myClassico.com mit einem Ladengeschäft in den Großen Bleichen vertreten. Bei der Vermietungsbilanz 2018 waren anders als in den Vorjahren die wichtigsten Flächenabnehmer nicht Unternehmer aus den Bereichen Mode und Bekleidung, sondern mit 25 Prozent Einzelhändler aus dem Bereich Möbel und Einrichtung. Der Modebereich folgt mit einem Anteil von 23 Prozent.

„In den nächsten ein bis zwei Jahren werden allein in der Innenstadt 25.000 Quadratmeter neue Verkaufsfläche hinzukommen“, sagt Bechert. Dazu gehören die Stadthöfe, die im Herbst offiziell eröffnet werden sollen, wo auch bereits mit Poliform ein Anbieter italienischer Designermöbel knapp 400 Quadratmeter angemietet hat.

Weitere Einkaufsflächen entstehen im Springer Quartier und am Alten Wall. „Um die Vermietung dieser Flächen mache ich mir keine Sorgen. Das zeigt sich auch an der guten Vermietungssituation der Stadthöfe. Viele Einzelhändler stehen kurz vor dem Abschluss“, sagt Bechert. Allerdings entstehen noch 80.000 Quadratmeter Verkaufsfläche im südlichen Überseequartier in der HafenCity. Fachleute befürchten dann einen Umsatzrückgang von bis zu 15 Prozent für die Innenstadt. Der Druck auf die Ladenmieten wird also hoch bleiben.