Hamburg. Wo andere sich Wochen und Monate bemühen, sollte es für den Angeklagten den Führerschein im Turbogang geben.

Die Hektik, das Eingespanntsein. Irgendwie fehlte es Carsten F. (Name geändert) immer an der Zeit, sich dem Erlernen des Autofahrens zu widmen, für intensives Fahrtraining und ausführliche theoretische Ausbildung. Wo andere sich Wochen und Monate bemühen, sollte es für den 39-Jährigen den Führerschein im Turbogang geben. Eine Fahrerlaubnis binnen fünf Tagen – ach was: zwei Führerscheine, den fürs Auto und den fürs Motorrad! Eine Reise nach England sollte das Unmögliche möglich machen. Doch für den Hamburger endete der Crashkurs mit einem höchst unsanften Aufprall in der Realität.

Nicht nur, dass Carsten F. viel Geld für eine Bescheinigung ausgegeben hat, die das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt war. Der Mann landete jetzt auch noch wegen Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht – und mit ihm zwei Bekannte, die ihn offenbar mit einem vermeintlich wohlgemeinten rechtlichen Rat erst richtig in die Bredouille brachten. Als der 39-Jährige, möglicherweise auf ihre Empfehlung hin, das britische Dokument kurz vor Weihnachten des Jahres 2015 für Deutschland umschreiben lassen wollte, wurde der Schmu im Landesbetrieb Verkehr bemerkt.

4500 Euro für zwei wertlose Führerscheine

Von seiner zeitraubenden Tätigkeit als freiberuflicher Fitnesstrainer erzählt Carsten F. jetzt im Prozess, von sechs-Tage-Wochen und häufigen Terminen auch am Sonntag. „Ich wollte den Führerschein machen, aber wegen des Zeitmangels war das schwierig“, erzählt der athletische Mann, der seine langen Haare zum Zopf gebändigt hat. Ein Kumpel gab ihm den Tipp, eine Ferienfahrschule zu besuchen. Über das Internet habe er eine Einrichtung im Umkreis von London gefunden, von der es hieß, man könne die Fahrerlaubnis in fünf Tagen erzielen, die dann auch in Deutschland gültig sei. „Als Preis waren 3700 Euro für zwei Leute genannt. Ich habe keine 20 Sekunden überlegt und dann zugesagt.“ Mit ihm buchte ein Bekannter das Angebot.

Schon wenig später reiste F. nach England, um sich dort nicht nur fürs Autofahren, sondern auch fürs Motorrad fit zu machen. Letztlich zahlte er 4500 Euro. „Wir hatten sofort Fahrstunden, und ich habe schnell die theoretische Prüfung bestanden.“ Der Unterricht in Theorie und Praxis sei ungeheuer intensiv gewesen, und alles im britischen Linksverkehr. „Das ging zack auf zack, man war extrem fokussiert.“ Nach fünf Tagen habe es geheißen, er habe bestanden. „Das wurde ein bisschen gefeiert.“

Führerschein gar nicht richtig angesehen

Vor lauter Begeisterung habe er den Führerschein gar nicht richtig angesehen. „Aber ein inneres Gefühl sagte mir später, dass irgendwas nicht in Ordnung ist.“ Als er das Dokument zwei Bekannten zeigte, die in einer Anwaltskanzlei arbeiten, habe der eine „nur gegrinst“. Tatsächlich stimmte schon das Datum nicht, es zeigte nicht einmal das richtige Jahr. Auch andere Angaben waren offensichtlich falsch. Der zweite Bekannte habe ihm geraten, zur Polizei zu gehen. Das habe er dummerweise nicht getan.

Stattdessen ging der Hamburger zur Führerscheinstelle, um dort die britische Fahrerlaubnis in eine deutsche umschreiben zu lassen. „Ich wurde immer nervöser, wie ein kleines Kind.“ Offenbar zu Recht. Denn dort teilte ihm eine Mitarbeiterin mit, dass aus den Unter­lagen des Dokuments hervorgehe, „dass ich angeblich ein verkürztes Bein habe. Ich war total perplex und bin wortlos gegangen. Ich würde mir wünschen, dass der ganze Spuk ein Ende hat.“ Doch der hatte nicht einmal richtig angefangen.

Richter verhängt 60 Tagessätze

Die britische „Fahrschule“ reagierte auf kein Anschreiben und war offenbar nicht mehr existent. Und Carsten F. bekam eine Anzeige wegen Urkundenfälschung, seine Bekannten wurden wegen Anstiftung angeklagt. Er habe dem 39-Jährigen aber geraten, sich bei den Behörden nach der Echtheit des Dokuments zu erkundigen, bestreitet einer der Beschuldigten seine Verwicklung. Und der andere, ein Anwalt, unterzeichnete ein offizielles Schreiben. „Das war sicher nicht einer meiner Meisterschriftsätze“, räumt der Jurist ein. „Ich habe ihm aber eigentlich geraten, das klären zu lassen.“ Allerdings sei zu der Zeit in seiner Kanzlei „postalisch allerhand drunter- und drübergegangen“.

Abendblatt-Gerichtsreporterin
Bettina
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schreibt jede
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Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall © HA | Andreas Laible

Obwohl F. selber erhebliche Zweifel an der Echtheit des Führerscheins hatte, habe er es „drauf ankommen lassen“, sagt der Amtsrichter und verurteilt den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu 60 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die beiden mutmaßlichen Anstifter spricht der Vorsitzende nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ frei. Beim Strafmaß für F. wird berücksichtigt, dass der 39-Jährige selber Opfer eines Betrugs wurde und viel Geld für ein wert­loses Dokument ausgegeben hat. Der Hamburger ärgert sich heute noch, dass er den Rat seiner Bekannten, zur Polizei zu gehen, nicht befolgte. „Ich Depp habe das nicht getan! Ich wollte doch endlich meine Freundin durch die Gegend kutschieren“, sinniert er. Doch nach wie vor müssen andere ihn durch die Gegend fahren. Carsten F. hat bis heute keinen Führerschein.