Kiel. Schleswig-Holstein greift mit Erlass gegen Rechtsradikale durch. Die Sozialdemokraten begrüßen die härtere Gangart.

Mit einem neuen Erlass verschärft Schleswig-Holstein den Umgang mit sogenannten Reichsbürgern. Diese dürfen demnach künftig keine Waffen mehr besitzen. Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ seien waffenrechtlich als unzuverlässig einzustufen, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Donnerstag in Kiel. Ziel des Erlasses sei es, ihnen den legalen Waffenbesitz zu entziehen und zu verhindern, dass sie überhaupt eine Erlaubnis für legalen Waffenbesitz erhalten. „Reichsbürger“ erkennen weder die Bundesrepublik an noch ihre Institutionen. In Schleswig-Holstein sind davon laut Grote 180 eindeutig identifiziert. 90 weitere Verdachtsfälle würden geprüft.

Von den 180 haben derzeit 13 eine waffenrechtliche Erlaubnis. Diese sei bisher fünf „Reichsbürgern“ entzogen worden. Ein Vergleich: Von 1350 Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein haben laut Verfassungsschutz 33 einen Waffenschein. „Reichsbürger“ hätten auffällig viele Waffen in ihrem Besitz, sagte der Minister. Ihre Bestrebungen seien gegen die verfassungs­mäßige Ordnung gerichtet und zielten darauf ab, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen.

Meldebehörden und Polizei arbeiten zusammen

Als einen Grund für den Erlass, der bereits in Kraft ist, nannte Grote Vorfälle, in denen „Reichsbürger“ eine Schusswaffe eingesetzt hatten. Im Oktober 2016 tötete ein „Reichsbürger“ in Bayern einen Polizisten.

Der Kieler Erlass geht laut Grote über bisher bestehende vergleichbare Anordnungen in anderen Bundesländern hinaus. Mit ihm würden erstmals auch die Erkenntnisse der Meldebehörden in den Kommunen berücksichtigt: Sie müssen jetzt Verdachts­fälle der Polizei melden, die diese dann überprüft. Bisher gab es diesen Kontakt zwischen Meldeämtern und Polizei nicht. Diese soll nunmehr über die Hinweise aus den Meldeämtern, bei denen „Reichsbürger“ zum Beispiel ihre Ausweispapiere abgeben, erfahren, ob und wo in ihrem Revier „Reichsbürger“ leben. Damit soll auch die Eigensicherung der Beamten erhöht werden. „Reichsbürger“ betrachteten Waffengewalt als legitimes Mittel zur Abwehr gegen die zum Feindbild erklärten staatlichen Bediensteten, sagte Grote.

"Bewegung darf in keiner Weise verharmlost werden"

„Wir werden kein zentrales Register, keine umfassende Datensammlung anlegen“, betonte er. Der Staat werde aber denjenigen, die seine Existenz bestreiten, beweisen, „dass es ihn sehr wohl gibt“. Es sei sehr wichtig, dass die Polizei nunmehr in die Informationsketten eingebunden wird, sagte der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Jörg Muhlack. Laut Verfassungsschutz sind in Deutschland etwa 13.000 Menschen als „Reichsbürger“ identifiziert.

Feste Organisationsstrukturen der Bewegung seien in Schleswig-Holstein bisher nicht festgestellt worden, sagte Verfassungsschützer Thomas Giebeler. Es seien auch keine regionalen Schwerpunkte ausgemacht worden. „Erhöhte Meldeaufkommen“ gebe es aus den Kreisen Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und Rendsburg-Eckernförde.

„Reichsbürger“ seien gefährliche Spinner

Seit 2015 habe der Verfassungsschutz zunehmend mit dem Phänomen der „Reichsbürger“ zu tun, sagte der Innenminister. Die Bewegung dürfe in keiner Weise verharmlost werden. Mit dem Erlass bekämen die Behörden eine klare Handreichung, wie sie damit umzugehen haben. Niemand werde auf bloßen Verdacht abgestempelt, alles werde sorgfältig geprüft.

Die Sensibilität der Kommunen im Umgang mit der Bewegung habe zugenommen, sagte Verfassungsschützer Giebeler. Er titulierte die „Reichsbürger“ als gefährliche Spinner. „Nicht jeder Querulant ist ,Reichsbürger‘, aber jeder Reichsbürger ist auch Querulant.“ Ein Indiz, sie zu erkennen, ist offenkundig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, den in der Regel niemand braucht und von dem laut Giebeler etwa 200 im Land ausgestellt wurden. „In der ,Reichsbürger‘-Szene ist das die Eintrittskarte.“

Die Stoßrichtung des Erlasses entspreche auch den Forderungen der SPD, sagte deren Innenpolitiker Kai Dolgner. „Die verschärfte Gangart bezüglich Waffenbesitzes von Verfassungsfeinden sollte sich allerdings nicht nur auf ,Reichsbürger‘ beschränken.“