Hamburg. Der Kino- und Comic-Erfolg feierte auch ohne große Hits als turbulentes Musical Uraufführung im Thalia Theater.

Alles hat bekanntlich seine Zeit. Und: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, wusste bereits Stephan Remmler. In seinem Lied erzählte der einstige Trio-Frontmann von einem Kerl namens Krause, der seine Freundin Ruth verlässt, um eine neue Beziehung eingehen zu können. Er bereut es und muss feststellen, dass Ruth bereits mit einem anderen liiert ist.

Insofern hat es Axel richtig gut. Der blonde Macho kriegt praktisch jede Frau ins Bett, und seine Freundin Doro kann ihn nicht vergessen, obwohl sie ihn nach einem weiteren Fehltritt rausgeworfen hat und er beim schwulen Norbert untergekommen ist. Aber sie erwartet ja auch ein Kind von Axel. So weit, so bekannt. „Der bewegte Mann“ mit Til Schweiger und Katja Riemann animierte Mitte der 90er mehr als 6,5 Millionen Deutsche zum Kinobesuch. Der Film, entstanden nach Ralf Königs Comic-Vorlage von 1987, galt als die erste der neuen deutschen Komödien.

Regisseur Harald Weiler zeigt Gespür für Situationskomik

Im Thalia Theater betritt „Der bewegte Mann“ wiederum Neuland. Auch hier darf er sich austoben, dazu aber noch singen und tanzen. Ein Wagnis, welches das Publikum bei der Uraufführung des Musicals mit minutenlangem Schlussapplaus goutierte. Und: Die Produktion des Altonaer Theaters mit dem Thalia und Funke Media spielt im „Thalia Sommer“ in der Gegenwart. Das tut den Beziehungen unter Heteros und Homos, vereint zwischen Trieben und Tränen, indes keinen Abbruch.

Im Gegenteil. Autor und Komponist Christian Gundlach sowie Regisseur Harald Weiler geben der turbulenten musikalischen Komödie und den Figuren im zehnköpfigen Ensemble trotz vieler Klischees mehr Tiefe, als es auf den ersten Blick scheint. Weiler zeigt zudem Gespür für Situationskomik.

Die Sehnsucht nach der großen Liebe

Den von Doro (Jennifer Siemann) geschassten Axel (Elias Krischke) in eine Männergruppe der „Anonymen Sexsüchtigen“ zu stecken, in der die Teilnehmer beim Stricken über die Internet-Plattform YouPorn sinnieren, garantiert erste Lacher.

So wie Jan Kersjes als schwuler Norbert. Der Komödiant überzeichnet die Szenen zusätzlich. Stößt schon mal spitze, erwartungsvolle Schreie aus, wenn nur das Telefon oder es an der Wohnungstür klingelt und Axel erwartet wird. Auf den „Sahne-Hintern“ freuen sich in Frauenkleidern auch Norberts Freunde Waltraud (Mark Weigel) und Fränzchen (Michael Ehspanner), die bei Tanz- und Gesangseinlagen gekonnt über die Bühne stöckeln. Weigel, dem besten Sänger des Abends, obliegt es, nach etwas zähem Beginn mit starker Stimme und dem Lied „Sei einfach du“ die Besucher auch musikalisch zu erwärmen und mitzunehmen.

Jennifer Siemann, als „Cindy Reller“ (im Schmidt Theater) Schlager-Musical-erprobt, steht dem als Doro kaum nach. Elias Krischke – nicht mal so alt wie der Kino-Hit „Der bewegte Mann“ – hat hingegen als Axel noch Luft nach oben: Seine eingesprungenen Liegestütze beim gruppendynamischen Work- out zu Beginn des zweiten Teils zeugen von mehr Arm- und Bein- denn Stimmkraft. Immerhin steht (und hockt) der junge Darsteller gleich zweimal für nackte Tatsachen, ebenso Kersjes alias Norbert, als ihn Doro im Wandschrank ihrer Wohnung entdeckt. Schreck lass nach? Tut er ja im Laufe des Abends.

Szenen, die Comics und Film prägten, fehlen auch im Musical nicht

Gundlach und Weiler hüten sich davor, sich bloß über Schwule und den Umgang mit ihnen lustig zu machen. Mit dem Stilmittel eines Split-Screens – links auf der Bühne ein türkisfarbenes Sofa für Norberts Wohnung, rechts ein rot-orangefarbenes für Doros – führen sie immer wieder Szenen und damit auch Charaktere zusammen. Grenzen zwischen Homos und Heteros verschwinden, Übergänge sind großteils so fließend wie die Lamettastreifen des Glitzervorhangs auf der Bühne. Hinter dem spielt eine Band live auf erhöhtem Podest. Zudem nutzen die Darsteller die Größe und Tiefe der Thalia-Bühne aus, am Ende einer schrillen Revue gleich.

Auch wenn den 17 neuen Liedern – rockige Songs und Balladen – das große Hit-Potenzial fehlt, tragen sie die Handlung mit. Gefühle – von Zuneigung bis Eifersucht – stehen im Zentrum, mithin die Sehnsucht nach der großen Liebe.

Und Szenen, die Comics und Film prägten, fehlen auch im Musical nicht. Noch bevor Krischke als nackter Axel – betört vom Bullen-Spray – auf der Wohnzimmer-Couch sitzt, hat Sascha Rotermund als Schlachter in Ledermontur im Disput über Tofuwurst mit Vegetarier Norbert reichlich Szenenbeifall und die meisten Lacher des Abends eingeheimst. Alles in schönem Ruhrpott-Dialekt.

Diese Wurst hat nicht nur zwei Enden. Im Zeitalter der Ehe für alle wagen Axel, Doro und Norbert als schwuler Patenonkel sogar eine Art Ehe zu dritt. Womöglich noch ein weiteres Modell in bewegten Zeiten wie diesen.

„Der bewegte Mann – Das Musical“ bis 13.8., täglich außer Mo 20.00, So 19.00, Sa auch 15.00, Thalia Theater, Alstertor, Karten zu 18,50 bis 62,50 in der HA-Geschäfts­stelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98