Hamburg. Am Einsatz in Entenwerder gibt es viel Kritik, die Innenbehörde verteidigt das Vorgehen. Das Abendblatt beantwortet wichtige Fragen.

Der Zugriff war hart. Unter Einsatz von Pfefferspray räumten Polizisten am Sonntagabend die Schlafzelte von G20-Gegnern im Elbpark Entenwerder – die linke Szene spricht von einem „polizeistaatlichen Vorgehen“.

Wie ist der aktuelle Stand?

Das Verwaltungsgericht hat das Übernachtungsverbot der Polizei am Sonntagabend bestätigt. Insofern sind Schlafzelte auf der Fläche verboten. Soweit es um den Protest gegen G20 tagsüber geht, hat das Gericht den Campern sehr konkrete Auflagen gemacht: Erlaubt sind danach ein Zirkuszelt, eine Bühne, zehn Workshopzelte der Größe fünf mal zehn Meter sowie Sanitäreinrichtungen. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wollen die Anmelder des Camps Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

Was war in Entenwerder passiert?

In einer ersten Entscheidung hatte das Verwaltungsgericht das Camp mit Schlafzelten noch erlaubt, da die Polizei ihr Verbot nicht ausreichend begründet hatte. Die Beamten blockierten dennoch am Sonntag zunächst den Zugang zu Teilen des vorgesehenen Camps – nach Erlass der erneuten Verbotsverfügung um 18.45 Uhr wurden zwölf bereits aufgestellte Zelte am späten Sonntagabend geräumt. Die Anmelder sprechen von mehreren Verletzten durch das Pfefferspray der Polizei. Eine Person wurde in Gewahrsam genommen.

Was kritisieren die G20-Gegner?

Die Bürgerschaftsfraktion der Linken wirft der Polizei und Innensenator Andy Grote (SPD) Rechtsbruch vor. Die Polizei hätte das Camp nicht räumen dürfen, weil die erste Entscheidung des Gerichts vom Sonnabend auch die Übernachtung der Camper in Schlafzelten zunächst erlaubt hatte. „Mit Andy Grote ist kein Rechtsstaat zu haben. Deswegen fordern wir seinen Rücktritt“, sagte Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir.

Wie begründen Polizei und
Innen­behörde ihr Vorgehen?

„Wir hatten eine schwierige Rechtssituation“, sagte Polizeisprecher Timo Zill. Den Vorwurf des Rechtsbruchs wies er zurück. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätte nicht bedeutet, dass „man völlig frei ein Camp aufbauen kann“. Die erneute Verbotsverfügung und die Räumung der Zelte seien rechtens. Die Innenbehörde betonte, dass die zweite Verbotsverfügung sofort wirksam gewesen sei.

Wie verhalten sich die Grünen?

Der Regierungspartner der SPD ist grundsätzlich der Ansicht, dass der Senat den G20-Gegnern Camps erlauben sollte. Allerdings müsse den Sicherheitsbelangen Rechnung getragen werden. Einen entsprechenden Antrag beschlossen die Grünen unlängst auf ihrer Mitgliederversammlung. Das Vorgehen der Polizei im Entenwerder Elbpark hält Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks für „rechtmäßig, aber unklug“. Die Räumung der Schlafzelte sei „kein Beitrag zur Deeskalation“ gewesen.

Wie bewerten Experten den Fall?

„Wenn die Sperrung der Fläche nur dazu diente, das Protestcamp zu verhindern, spricht einiges dafür, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt hat“, sagt Verwaltungsrechtler Christian Ernst von der Bucerius Law School. Erst mit der erneuten Verbotsverfügung hätte die Polizei eine Rechtsgrundlage gehabt. Generell böten die Möglichkeiten der Versammlungsbehörde Raum für Missbrauch. „Die Polizei kann sich gewissermaßen Zeit kaufen, in dem sie ein erneutes Verbot erlässt, das erst angefochten werden muss.“

Drohen der Polizei Konsequenzen
wegen ihres Vorgehens?

Kaum. „Selbst wenn das Gerichtsurteil missachtet worden sein sollte, sind persönliche Sanktionen oder gar strafrechtliche Verurteilungen in solchen Fällen extrem selten“, sagt der Jurist Christian Ernst.

Was sagen CDU und FDP?

„Der Abgesang auf unseren Rechtsstaat ist grober Unfug“, sagt der CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator. Der FDP-Innenpolitiker Carl Jarchow hält die Rücktrittsforderungen an Grote „nach jetzigem Kenntnisstand“ für überzogen.


Welche wichtigen Verfahren sind jetzt noch bei Gerichten anhängig?
Die wichtigste Frage lautet: Hält das für die Innenstadt ausgesprochene Versammlungsverbot (Allgemeinverfügung) für die beiden Gipfeltage? Am Montag bestätigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) das Verbot der Schlusskundgebung „G20 – not welcome“ auf dem Heiligengeistfeld. Es wird erwartet, dass die Veranstalter jetzt das Bundesverfassungsgericht anrufen werden. Ein ähnliches Procedere wird im Zusammenhang mit einer Dauerdemo im Gängeviertel erwartet. Hier steht aber die Entscheidung des OVG noch aus. Wichtig könnten vier Eilanträge werden, die gestern, Montag, beim Verwaltungsgericht eingingen. Sie richten sie gegen die Allgemeinverfügung und wurden von Personen eingereicht, die das Recht auf eine Spontandemonstration beeinträchtigt sehen. Auch in diesen Fällen könnte am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden.