Immer mehr junge Modedesigner aus Hamburg verwenden bei der Produktion Biobaumwolle und achten auf faire Bedingungen.

Die Leidenschaft hat für Julia Starp kräftige Farben. Gelb wie der Neid ist das mit goldenen Schnörkeln versehene Seidenkleid, das die Designerin gerade für die Modenschau Green Avantgarde in Berlin entworfen hat. Rot wie die Liebe ist ein anderes Modell, das auf dem Arbeitstisch ihres kleinen Ateliers in Barmbek liegt. "Ich bin unglaublich froh, dass ich Seide in diesen leuchtenden Tönen bekommen habe", sagt die 26-Jährige. "So etwas gab es bislang nämlich nicht in Bioqualität."

Lange hat die Hamburgerin gesucht, bis sie in der Schweiz einen Lieferanten fand, der ihr eine Haltung von Seidenraupen nach ökologischen Standards garantierte. So sollen die Tiere bei einem chinesischen Partnerunternehmen nur hochwertiges Futter ohne wachstumsfördernde Substanzen erhalten und auf Pflanzen leben, die ohne künstlichen Dünger und Pestizide gezogen werden. Die Kokons werden getrennt von herkömmlicher Seide abgekocht, nach Europa verschifft und in einer Färberei in Norditalien veredelt. Das Ganze hat seinen Preis. Zwischen 1000 und 2000 Euro kosten selbst genähte Modelle von Julia Starp. Stücke aus ihrer aktuellen Kollektion aus Biobaumwolle, die sie in einer kleinen Manufaktur in Polen nähen lässt, liegen bei 500 Euro.

Das Beispiel der Jungdesignerin zeigt, dass sich grüne Mode längst aus der Natursocken- und Schlabberecke herausbewegt hat. Immer mehr junge Modeschöpfer aus der Hansestadt legen Wert auf ökologische und faire Arbeitsbedingungen und schaffen gleichzeitig Kreationen, denen man ihre biologische Herkunft auf den ersten Blick nicht ansieht. Weltweit ist der Umsatz mit Biobaumwolle allein im vergangenen Jahr um 35 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) gewachsen. Nicht nur Pioniere wie der Hamburger Otto-Konzern setzen mittlerweile auf ökologische Stoffe, sondern auch Billigketten wie Hennes & Mauritz und C&A. Mit 18 Millionen verkauften Kleidungsstücken hat sich der Düsseldorfer Handelsriese sogar an die Spitze jener Einzelhändler gesetzt, die Textilien aus nachhaltig angebauter Baumwolle vertreiben. Für 2010 ist ein Anstieg auf 23 Millionen Teile geplant.

Die Wachstumsraten können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die grüne Mode nach wie vor in einer Nische bewegt. Bei C&A liegt der Anteil der Stücke aus Biobaumwolle auch nach dem geplanten Ausbau immer noch bei wenigen Prozent, bei Otto macht die Ökoware fünf Prozent der gesamten eigenen Kollektion aus.

Jungdesignerinnen wie Julia Starp müssen zudem eine Menge Idealismus mitbringen, denn Geld lässt sich mit grüner Mode erst nach einer langen Durststrecke verdienen."Ich bin sehr christlich erzogen worden, das erklärt vielleicht meine soziale Ader", sagt die Modeschöpferin. "Ich möchte nicht, dass meine Arbeit Tieren oder Menschen schadet."

Trotz der relativ hohen Preise für ihre Kleider steckt Julia Starp bislang jeden eingenommenen Cent wieder in ihre nächsten Kreationen. Ihr wenig glamouröses Atelier in einer ehemaligen Tischlerei quillt über von Stoffen, Garnrollen und Knöpfen. In der Decke leuchtet eine Energiesparlampe. Die Absolventin der Hamburger Modeakademie JAK ist aber froh, dass sie sich seit dem Frühjahr überhaupt ein eigenes Studio leisten kann. Vorher schneiderte sie ihre Kreationen in der heimischen Wohnung. "Da hat sich mein Mann immer beschwert, dass überall Nadeln herumlagen, das ging dann einfach nicht mehr."

Zu finden sind die Kleider von Julia Starp im Internet oder in Geschäften wie Maygreen in Ottensen. Dieser im März eröffnete Shop führt zwar ausschließlich grüne oder faire Mode, hebt sich mit seinem schlicht-minimalistischen Design aber ebenfalls deutlich von einstigen Dritte-Welt-Läden ab. Ihre Zielgruppe geben die beiden Gründerinnen Insa Riske und Mechthild Schilmöller mit "LOHAS ab 35 Jahre" an. Gemeint sind Frauen, die "Gesundheit und Nachhaltigkeit als Lebensstil" pflegen (englisch "Lifestyle Of Health And Sustainability"), eine kaufkräftige, gut gebildete Gruppe, die es sich leisten kann, für das gute Gewissen auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Was allerdings noch ein großes Problem für die aufstrebende Branche darstellt, ist das Fehlen eines einheitlichen Gütekennzeichens, vergleichbar mit dem staatlichen Biosiegel im Lebensmittelbereich. "Ein solches staatlich kontrolliertes Siegel würde zu einer deutlich größeren Sicherheit für die Verbraucher führen, dass sie tatsächlich auch Biotextilien bekommen", sagt Heike Scheuer vom Internationalen Verband für Naturtextilwirtschaft (IVN).

Die Organisation vergibt in Deutschland das sogenannte GOTS-Label (Global Organic Textile Standard), das sich mittlerweile zu dem am weitesten verbreiteten Qualitätskennzeichen entwickelt hat. Es garantiert, dass mindestens 70 Prozent der verwendeten Fasern von Pflanzen oder Tieren aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft stammen. Dabei wird auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichtet, auch eine artgerechte Tierhaltung ist vorgeschrieben. Daneben soll GOTS auch die Einhaltung minimaler Sozialstandards sicherstellen: Verbot von Zwangsarbeit, Kinderarbeit, sowie die Zahlung gerechter Löhne. Die Stoffe, die Julia Starp in ihrer Kollektion verwendet, sind zu einem großen Teil GOTS-zertifiziert.

Auch das kleine Hamburger Label Fairliebt setzt auf diesen Standard. Die Chefs Wiebke Hövelmeyer und Mathias Ahrberg beziehen die T-Shirts für ihre Streetwear von dem kirchlichen Projekt Lamu Lamu, das mit Kleinbauern in Kenia, Uganda und Tansania zusammenarbeitet und dort für ökologische Produktionsbedingungen kämpft. "Als wir 2006 an den Start gingen, waren wir noch ziemlich allein", erinnert sich die studierte Modejournalistin. "Das hat sich in den vergangenen Jahren stark geändert." Die Fairliebt-Macher kaufen ihre T-Shirts für sieben Euro das Stück bei Lamu Lamu ein, knapp 30 Euro nehmen sie für die fertig bedruckten Modelle. "Alle paar Wochen packen wir tausend T-Shirts ins Auto, fahren zu den Eltern von Mathias ins Rheinland und bearbeiten sie dort auf einer Siebdruckanlage", sagt Hövelmeyer. Tiere, Sprüche oder auch ein sehr hanseatischer Anker landen am häufigsten auf den Kleidungsstücken.

Bis jetzt gab es die Fairliebt-Shirts vor allem auf der eigenen Internetseite des Labels zu kaufen. "Das Ganze war eher ein Hobby für uns", so Hövelmeyer. Doch im Juni hat sich die Modemacherin mit einem eigenen Shop einen "Kleinmädchentraum" erfüllt, wie sie erzählt. Der Geschäftsname Glore steht für "globally responsible" - und er klingt auch ein bisschen glanzvoll. Dazu passt der mächtige Kronleuchter, der den Shop in der Glashüttenstraße dominiert. Neben den eigenen Kreationen hat Hövelmeyer auch viele internationale Biolabels wie Kuyichi, People Tree oder Terra Plana im Angebot. Legere Kleidung für Szenegänger, die gern Verantwortung tragen. "Ich denke, dass Hamburg auf genau so ein Geschäft gewartet hat", sagt die Gründerin.