Fünftklässler der Julius-Leber-Schule verarbeiten die Krise mit Kunstwerken. Dazu gab es eine Ausstellung zum Schuljahresende

Auf der Veranda der Villa Mutzenbecher liegt ein Abstandshalter aus Pappe, langen Stangen und Schwimmnudeln, drinnen sind in zwei Räumen verschiedene Stationen mit Bastelarbeiten und Bildern aufgestellt. Bunte Masken aus T-Shirt-Resten hängen an einer Wäscheleine, im Hintergrund tönt die Musik von „Star Wars“ – ein Video zeigt hüpfende Jungen, die sich durch Sport fit halten. Alles zusammen zeigt eine kreative Klasse in Zeiten von Corona.

Zum Abschluss des Schuljahres präsentierten Tina Simon und Kristina Prause, Lehrerinnen an der Schnelsener Julius-Leber-Schule, die Werke ihrer 24 Fünftklässler in einer Ausstellung mitten im Niendorfer Gehege – exklusiv für ihre Schützlinge und deren Eltern, die an zwei Tagen hintereinander in die Villa Mutzenbecher kommen konnten.

Entwickle einen magischen Mundschutz

Neben den üblichen Aufgaben in Kernfächern wie Mathe, Deutsch und Englisch hatten die engagierten Lehrerinnen seit März die Kinder zu vielen kleinen Kunst- und Musikideen inspiriert, die die Elfjährigen relativ frei umsetzen konnten: „Wie hört sich Langweile an?“ – „Entwickle einen magischen Mundschutz.“ – „Wir hier zusammen – ich alleine zu Hause.“ – „Wie stellst du dir die Schule der Zukunft vor?“ So hießen ein paar der Titel, mit denen die Schüler kreativ arbeiten sollten.

Jelena nahm das sonore Schnarchen ihres Vaters auf, Julien zeichnete einen Mundschutz, der Viren platzen lässt. Julia bastelte ein Virus aus Pappmaché mit Monstergesicht und aus Holz einen Schulraum, in dem Kippeln erlaubt ist, Niklas stellte Loungemöbel und Liegen in eine Kiste und Jelena erstellte ein Tagebuch. Zu sehen sind Figuren aus Klopapierrollen, Flöße aus Plastikflaschen und Trommeln mit Luftballonbezug.

Eine Wertschätzung für die Kinder, finden die Eltern

„Ich finde toll, dass die Kinder sich künstlerisch mit ihrer Situation auseinandergesetzt haben und so die Krise verarbeiten und verstehen konnten“, sagt Julius’ Vater, Ron Drongowski. Die Mutter von Julia, Stefanie Beuscher, sieht darin vor allem „eine Wertschätzung für unsere Kinder, das finde ich einfach sagenhaft“.

Vor allem ging es den Lehrerinnen jedoch darum, den Zusammenhalt der Schüler zu erhalten und zu fördern. „Als Fünftklässler hatten sie sich ja gerade erst ein paar Monate kennengelernt, da kam die Schulschließung“, erzählt Tina Simon. Um täglich mit den Kindern zu kommunizieren, nutzten die Lehrerinnen ein Padlet, das ist eine Art Online-Pinnwand, mit der sie nicht nur die Tagesaufgaben weitergaben, sondern bei der die Schüler auch Fotos, Videos und Kommentare hochladen konnten. „So konnten sie ihre Kunstwerke mit allen teilen und andere Projekte würdigen“, sagt Kristina Prause.

Julia mit ihrem selbst gebastelten Covid19-Monster
Julia mit ihrem selbst gebastelten Covid19-Monster © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Sie war erstaunt, wie gut manche Kinder mit der Situation zurechtkamen. „Ich finde zwar, den persönlichen Kontakt kann man nicht ersetzen, aber manche sind richtig aus sich herausgekommen und haben tolle Ergebnisse geliefert, weil der Druck nicht so groß war. Sie konnten selbstbestimmter arbeiten, ihnen half diese neue Freiheit. Das werde ich mit in die Zeit nach Corona nehmen“, sagt Prause.

Künftig mehr den Einzelnen im Blick

Beide Lehrerinnen fanden es gut, auch etwas aus dem Privatleben ihrer Schüler zu erfahren und „ich nehme mir vor, künftig mehr jeden Einzelnen und auch die Stilleren zu sehen“, sagt Simon.

Mädchen wie Julia, die es „richtig cool“ fand zu Hause. „Ich war viel kreativer und habe immer zuerst das gemacht, auf das ich Lust hatte, und danach erst die Pflichtaufgaben“, sagt die Elfjährige, deren aufwändige Bastelarbeiten auf jedem Tisch der Ausstellung zu finden sind. Ihre Mutter empfindet Julia nun als selbstbewusster. „Sie brauchte den Abstand zu den anderen, um sich mehr zuzutrauen und das zu präsentieren“, sagt die Krankenschwester.

Engagement der Lehrerinnen holte Kinder aus dem Zwischentief

Leos Mutter fand das Homeschooling hingegen anstrengend. „Weil mein Sohn wenig alleine gemacht hat. Er hat lange ausgeschlafen und ich musste mich abends nach der Arbeit noch hinsetzen und die Aufgaben mit ihm erarbeiten. Allerdings ist er insgesamt selbstständiger geworden“, sagt Joanna Behrens. Julius, der immer schnell mit seinen Hausaufgaben fertig war, fand es zu Hause, „vor allem langweilig, mir fehlen die Schule und meine Freunde“, sagt der Elfjährige. Dafür kann er jetzt ziemlich gut mit dem Computer umgehen.

Das Engagement der Lehrerinnen hat die Schüler auch aus einem emotionalen Zwischentief nach den Maiferien geholt. „Wir hatten ein paar Präsenztage in der Schule. Das tat allen gut und dort konnten sie dann einander von ihrem Alltag berichten“, sagt Tina Simon. „Sie erzählten von Streit mit den Geschwistern, neuen Hobbys, dass sie ihre Großeltern nicht sehen konnten, aber auch viel Zeit in der Natur verbrachten“, berichtet die 32-Jährige.

 Julius (11) zeigt die Figuren, die er für sein Video-Comic gezeichnet hat
Julius (11) zeigt die Figuren, die er für sein Video-Comic gezeichnet hat © Andreas Laible / FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Die Schüler sollten sich danach kreativ damit befassen, was Corona für sie im Alltag verändert hat. So hat Julia eine Naturlandschaft gebastelt und Julius einen Comicfilm rund um das Corona-Virus produziert. Jelena probierte aus, vier Tage ohne Zucker zu leben, und Tugra erstellte ein Dossier mit allen Fakten, die er rund um die Pandemie im Internet finden konnte.

Ein Pulli, gestiftet vom Abendblatt-Verein

Gemeinsam haben die Schüler dann beschlossen, einen Pulli zu gestalten, der an die Corona-Zeit erinnern soll. Das Logo auf der Vorderseite haben sie selbst entworfen, auf dem Rücken stehen die Namen aller Klassenkameraden. In einem Jugendzentrum konnten sie dann Gruppenweise im Siebdruckverfahren jeder einen Pulli erstellen, den sie bei der Ausstellung voller Stolz trugen. Bezahlt wurde diese Aktion vom Verein „Hamburger Abendblatt hilft“. „Für mich ist dieser Pulli ein Symbol, das wir alle zusammenhalten“, sagt Leo.