Der Interimschef Sebastian Biedenkopf geht. Doch der Hamburger Solarspezialist Conergy steht nicht nur personell vor Herausforderungen.

Hamburg. Sebastian Biedenkopf hat sich gestern vor die rund 300 Hamburger Mitarbeiter des Solarzellenbauers Conergy gestellt und geredet. Um Verständnis geworben, dass er ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem Conergy von diversen Hedgefonds übernommen und damit vor dem Aus gerettet wurde, seinen Job als Interimschef aufgeben will. Dreieinhalb Jahre war der Sohn des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf bei dem Unternehmen, erst als Justiziar, dann als Vorstandsmitglied. 15 Monate führte er zusammen mit einem weiteren Vorstand das Unternehmen, fädelte die Rettungsaktion ein, und brachte sie zum Erfolg. Zuerst hatte er Finanzvorstand Andreas Wilsdorf an seiner Seite, doch der legte sein Amt schon im Sommer nieder. Sein Nachfolger wurde Alexander Gorski, der seinen Co-Vorstand nun verlieren wird.

"Dreieinhalb Jahre Restrukturierung in dieser Branche sind eine lange Zeit. Ich möchte Sie alle um Verständnis für diese persönliche Entscheidung bitten. Ich habe in Conergy viel Herzblut gesteckt. Bei meiner jetzigen Entscheidung überwogen für mich jedoch die persönlichen Interessen", sagte Biedenkopf. Seine Familie bekam ihn wegen der Krise immer seltener zu sehen. Der Aufsichtsrat hat jetzt nur vier Monate Zeit, um einen Nachfolger für den Manager zu finden.

+++ Conergy: Betriebsrat will 100 Mitarbeiter halten +++

Der einstige Börsenstar Conergy befindet sich immer noch auf der Intensivstation. Die Staatsanwaltschaft Hamburg will mehrere Ex-Manager des Unternehmens wegen Bilanzfälschung anklagen. Darunter befinden sich auch der Unternehmensgründer Hans-Martin Rüter, sein Verwandter und ehemaliger Tchibo- und Conergy-Chef Dieter Ammer und Ex-Finanzchef Heiko Piossek. Es geht um den Jahresabschluss 2006. Damals sponserte Conergy sogar den Hamburg-Marathon. Die Aktie notierte bei mehr als 150 Euro, gestern war das Papier noch 27 Cent wert. "Conergy ist ein Zockerpapier", sagt Oliver Drebing, Analyst bei SRH Alsterresearch.

Die vergangenen Jahre waren bewegt. Ammer und Rüter gerieten in Streit, der Gründer verließ das Unternehmen 2007. Ammer versuchte das Ruder herumzureißen, doch die fortschreitende Verschuldung des Solaranlagenbauers konnte er nicht stoppen. 2010 kündigten alle Banken ihre Kreditlinien, Conergy ging an Hedgefonds, die üblicherweise davon leben, Unternehmen zu kaufen, sie aufzupäppeln, um dann wieder mit Gewinn abzustoßen. Doch das dürfte schwierig werden, denn die Zeiten auf dem weltweiten Solarmarkt haben sich dramatisch verändert. Allein seit Jahresanfang sind die Preise für Module um 20 Prozent gefallen. Grund ist ein von chinesischen Anbietern gestarteter Preiskampf. "Die Nachfrage ist stark gesunken, weil viele Interessenten nun warten und davon ausgehen, dass die Preise weiter fallen. Hinzu kommt ein Überangebot von Solarzellen auf dem Markt", sagt Drebing. Die Folgen für die Branche sind gravierend. "Viele Unternehmen haben riesige Lagerbestände und deshalb Kurzarbeit in der Produktion", so der Analyst, der den Weggang Biedenkopfs als "schweren Schlag" für das Unternehmen bezeichnet. Conergy hat bereits den Abbau von 100 Stellen in seinem Werk in Frankfurt (Oder) angekündigt. Auch andere Wettbewerber wie Solarworld legten Produktionslinien still.

"Es ist vieles anders verlaufen, als es die Firmen erwartet haben", sagt Drebing. Die Kurse sind insgesamt stark gefallen. So notierte die Aktie von Q-Cells 2007/08 noch bei rund 75 Euro, heute sind es 53 Cent. Bei Solarworld kostete der Anteilsschein einst um die 40 Euro, gestern waren es noch gut drei Euro, und Solar Millennium verbilligte sich von rund 40 auf knapp 1,40 Euro. Vor allem im Hauptabnehmerland Deutschland ist die Nachfrage nach Solaranlagen wegen sinkender Subventionen stark zurückgegangen. Auch deshalb war das erste Halbjahr kein leichtes für die meisten Firmen der Branche. "Das zweite Halbjahr wird nicht besser ausfallen", fürchtet Drebing. Conergy konnte von Januar bis Ende Juni zwar den Umsatz auf Höhe des Vorjahreszeitraums halten. Allerdings ist zugleich der Verlust auf mehr als 40 Millionen Euro stark gestiegen.

Die Unternehmen sind alarmiert. Sie wehren sich nicht nur gegen weitere Kürzungen der Subventionen, sie plädieren auch für protektionistische Maßnahmen. Wie zum Beispiel in Italien, wo die Einspeisevergütungen für Anlagen, die in Europa hergestellt wurden, um zehn Prozent höher ausfällt als für Produkte aus China, den USA und anderen Staaten. Die deutsche Politik will dagegen die Beihilfen weiter senken. Möglicherweise findet sich für Conergy eine andere Lösung: Im Aufsichtsrat der Firma sitzt der Ex-Banker Philip Comberg. Er spricht Chinesisch und ist auch im Gremium von Solarfun. Die chinesische Firma könnte zumindest bei der Produktion ein passender Partner für Conergy sein.