Erfurt. Mit einer bewegenden Trauerfeier haben 10 000 Menschen in Erfurt der Opfer des Amoklaufs vor einem Jahr gedacht. Der zuvor von der Schule verwiesene Robert Steinhäuser (19) hatte am Gutenberg-Gymnasium zwölf Lehrer, die Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst erschossen. Schulleiterin Christiane Alt: "Der 26. April 2002 hat Wunden geschlagen, die nie völlig verheilen werden." Der "Held" von Erfurt, Lehrer Rainer Heise (61), der den Attentäter gestoppt und eingesperrt hatte, umarmte am Sonnabend seine Schüler, spendete Trost, trocknete Tränen. Die Eltern des Amokläufers, Günter und Christel Steinhäuser (beide 53), geben sich heute eine Mitschuld. "Ich denke immer, dass ich gerade in den letzten Monaten nicht wirklich für Robert da war", sagte die Krankenschwester dem "Spiegel". Der Schule und den Lehrern geben die Eltern keine Schuld. Ihr Sohn war im Oktober 2001 ohne ihr Wissen der Schule verwiesen worden, weil er Atteste gefälscht hatte. Auch sein letztes Halbjahreszeugnis hatte er gefälscht. Die Gedanken an mögliche Fehler und verpasste Chancen seien vor dem Einschlafen die letzten und morgens die ersten, so die Eltern. Christel Steinhäuser: "Ich habe zu viel geschimpft und zu wenig nach den Ursachen gesucht." Wenige Monate vor der Tat habe Robert am Küchentisch gesessen und gesagt: "Es hat alles keinen Sinn." Sie habe geantwortet: "Was redest du für einen Quatsch?" Heute sage sie sich ständig, dass sie nur ein einziges Mal hätte reagieren müssen. Am Tag des Amoklaufs habe sie sich gewundert, wie sich ihr Sohn anzog. "Die uralte Hose mit den Seitentaschen - zur letzten Abiturprüfung? Lass den Jungen in Ruhe, habe ich mir gedacht. Also habe ich gesagt: ,Heute ist endlich Schluss', und ich meinte natürlich die Schule. Aber er hat gesagt: ,Ja, dann ist Schluss.' Was er meinte, weiß ich heute."