Google Street View liefert kaum mehr als unscharfe Bilder.

Was für eine Aufregung. Kaum hatte Google im August bekannt gegeben, noch binnen Jahresfrist seinen Panoramabilddienst Street View online zu stellen, war so ziemlich alles, was dieses Land an Datenschützern, Intimsphärenwächtern und sonstigen Sorgenfaltenträgern zu bieten hat, im Nu zur Stelle, um nicht nur das sommerliche Nachrichtenloch zu füllen, sondern nebenbei die Welt vor Google zu retten, dem Big Brother des Internets, jenem alles fressenden Bilder- und Datenkraken, der eines nahen Tages unser aller Lebensläufe per Mausklick jedem ausspuckt, dem's beliebt.

Seit gestern nun ist sichtbar, was Google da angerichtet hat. Als erster deutscher Ort ist das bayerische Dörflein Oberstaufen komplett gestreetviewt, man kann dort ab sofort einen virtuellen Spaziergang durch jede Gasse machen, einen Blick auf jedes Haus riskieren (außer der Besitzer hat Einspruch eingelegt) und einigen (stets gepixelten) Menschen begegnen, die zufällig vor Ort waren, als das Streetview-Auto Oberstaufen filmte. Das Ergebnis ist dazu angetan, eine hochaktuelle Facette hiesiger Protestkultur beim Namen zu nennen: ihren Hang zur Hysterie.

Worüber reden wir, wenn wir über Google Street View reden? Über einen Internetkonzern, der Häuserfassaden abbildet, und das mit einer Unschärfe, die es mitnichten ermöglicht, aufschlussreiche Details von Inneneinrichtungen zu erkennen. Mag sein, dass mancher Abgebildete sich selbst erkennt. Womöglich ahnt in Oberstaufen der eine oder andere, dass der ältere Herr mit schütterem Haar, den Street View, sagen wir mal, beim Müllrausbringen, zeigt, der Maier Sepp sein muss. Und vielleicht werden künftig gar arg neugierige Arbeitgeber sich via Street View informieren, in welchem Haus Jobbewerber XY denn so wohnt. So what?

Das Aufbegehren gegen informationsgierige Großkonzerne ist populär, oft auch berechtigt, im Falle von Street View ist es vor allem albern, befriedigt es doch zuvörderst ein diffuses Unwohlsein gegen eine immer ausgeleuchtetere, gläserne Welt. Ein Unwohlsein, für das es vielerlei konkrete Gründe gibt. Google zum Beispiel speichert unser Internetverhalten in Persönlichkeitsprofilen und verkauft diese gewinnbringend, Apple speichert die Aufenthaltsorte seiner iPhone-Kunden. Das Schlimme dabei: Niemand kann die gesammelten Daten über sich selbst einsehen oder gar löschen lassen. Das muss sich ändern, darüber muss man diskutieren. Aber nicht über ein paar Häuserfassaden im Unschärfemodus.