Darmstadt . Samuel Koch stellt sein neues Buch “Rolle vorwärts“ an seinem Arbeitsplatz vor - dem Staatstheater Darmstadt.

Es dauert ein bisschen, aber dann taut der nach seinem tragischen Sturz in der Fernsehsendung „Wetten, dass ..?“ gelähmt im Rollstuhl sitzende Samuel Koch auf. Im Staatstheater Darmstadt stellt der 28-Jährige am Montag seine neues Buch vor, das „Rolle vorwärts“ heißt. Worin besteht der Unterschied zu seinem ersten Buch „Zwei Leben“? „Da habe ich die 100 000 Fragen um den dämlichen Unfall herum zu beantworten versucht“, sagt er. „Jetzt geht es in "Rolle vorwärts" um Erfahrungen, Begegnungen und Erlebnisse der letzten dreieinhalb Jahre.“

Koch hatte in der Show „Wetten, dass..?“ vor fünf Jahren versucht, ein fahrendes Auto auf Sprungfedern zu überspringen. Er stürzte und blieb gelähmt. Inzwischen ist Koch Schauspieler. Seit September 2014 ist er im Staatstheater Darmstadt Mitglied des Ensembles. Derzeit spielt er den „Prinz von Homburg“.

Koch erzählt - genau an seinem Geburtstag - von seinem Beruf und seinem Engagement. „Für mich ist es ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen“, sagt er. Wenn Behinderte zusammen mit Nicht-Behinderten im Kindergarten spielen, in der Schule lernen oder im Fall von Koch arbeiten, wird dies Inklusion genannt. „Das ist eine Modewort, dass ich schon gar nicht mehr hören kann“, sagt er - und wirkt ernst dabei. Auf die Frage, welcher Begriff ihm lieber wäre, überlegt er und sagt, ihn störe, dass es das Wort überhaupt noch gibt. Ihm wäre es am liebsten, „wenn Inklusion kein Thema mehr ist, wenn sie erreicht ist“ - und der Begriff nicht mehr benutzt werden müsse.

Koch will "Inklusion" nicht mehr hören

Das Staatstheater Darmstadt hat zwei Schauspieler, die im Rollstuhl sitzen. Kochs Kollegin Jana Zöll (30) hat Glasknochen. „Jeder ist einzigartig, jeder kann etwas gut“, sagt Intendant Karsten Wiegand. Wenn dafür der Begriff „Inklusion“ benutzt wird, findet der 43-Jährige das „schwierig“. Es gehe um „Diversität“ (Vielfältigkeit), nicht darum, dass etwas Fremdes von einer Mehrheit aufgenommen wird.

Koch habe sich als Georg Büchners „Prinz Leonce“ vorgestellt. „Er ist in sehr sensibler Weise mit dem Rollstuhl umhergefahren“, berichtet der Intendant. „Das ist eine andere Art, sich fortzubewegen. Es geht darum, was Koch macht. Es gibt Menschen, die bewegen sich mit Füßen, andere im Rollstuhl.“

Der Geschäftsführende Präsident der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, Jörg Löwer, sieht für Darmstadt mit den beiden Schauspielern im Rollstuhl ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. „Im Staatstheater spielen stark körperlich behinderte Menschen fest in einem Ensemble“. Das habe auch ganz praktische Auswirkungen - etwa auf die Barrierefreiheit der Bühne - und das bei „dem starken Erfolgsdruck in den Theatern.“ Gesucht würden „Leute, die Leistung zeigen“, meint der 46-Jährige. „Für Empathie ist in dieser engen Struktur häufig wenig Platz.“