Vidal Sassoon, der Erfinder des Bobs, revolutionierte die Haarmode und befreite Frauen aus der Trockenhaube. Jetzt starb er mit 84 Jahren.

Los Angeles. Mit 14 Jahren war er der "Shampoo-Boy", der zum Lebensunterhalt seiner armen Familie beitragen sollte. Die Mutter wollte, dass der Junge Friseur wird. Er wollte das nicht. Aber es hatte gar keinen Zweck, ihr zu widersprechen. Also rührte er im Hinterzimmer von Cohens' Salon Haarwaschmittel an. Er hat das gehasst.

Doch dann kam der Tag, an dem Vidal Sassoon zum ersten Mal selbst die Haare der Kundinnen berühren durfte. Kämmen, eindrehen, toupieren, frisieren. Er mochte das. Er mochte vor allem die vielen schönen Frauen. Und er entdeckte bald die Leidenschaft für ein Handwerk, das den Jungen aus kleinen Londoner jüdischen Verhältnissen zu einem der berühmtesten Friseure seiner Zeit werden ließ. 32 Salons eröffnete er in vielen Teilen der Welt, dazu entwickelte er eine Produktlinie, die seit der Einführung 1972 ungebrochen erfolgreich ist. Am Mittwochabend ist Vidal Sassoon im Alter von 84 Jahren in seinem Haus in Los Angeles an Leukämie gestorben.

Er hinterlässt ein Lebenswerk , das deshalb so erfolgreich war, weil er sich nie brechen ließ, weil er immer zu kämpfen wusste (1948 sogar im israelischen Unabhängigkeitskrieg), weil er frei war und so experimentierfreudig, dass er die Welt der Frisuren auf den Kopf stellte.

"Er hat mit seinen spektakulären Schnitten die Friseurszene total umgewandelt", sagte gestern der Berliner Starfriseur Udo Walz zum Tod von Vidal Sassoon. "Er hat uns Friseuren viel geholfen und uns viel gelehrt."

Sassoons Erfindung des Bobs aber war eine Revolution. Ähnlich wie der Bubikopf der 1920er-Jahre wurde dieser Schnitt zum Kennzeichen der modernen Frau, die ihren eigenen Kopf hat und ihn zeigt, mit jeder Wölbung, mit Stirn, Wangenknochen, Nacken. Das Haar war kein Schleier mehr, der das verbarg. Das Haar war der Rahmen für ein Haupt, das mehr war als eine Zierde. Die "Kartografie des Kopfes" nannte Sassoon die Basis seiner Arbeit. Gerade Schnitte, bisweilen asymmetrisch, kinnlang, das war alles, und das war gut. Dass die Schere so korrekte Konturen hinterließ, dass so akkurat geschnitten wurde, um eine Frisur zu schaffen, die am besten sitzt, wenn man den Kopf einfach schüttelt, das machte sie besonders reizvoll. Ein unverschämter Kontrast. Ein Spiel mit Konventionen, das umso frecher war, als es um Konventionen ging, die den Unterschied zwischen den Geschlechtern zelebrierten.

Aber Sassoon dachte nicht nur an den Bruch mit Traditionen. Was ihn bei der Entwicklung seines Haarschnitts inspirierte, das war vor allem der Bauhaus-Stil. In keinem Moment wurde ihm dessen Motto von der Form, die der Funktionalität folgt, so bewusst wie beim Anblick von Mies van der Rohes Seagram Building in New York. Der Bob ist Bauhaus auf dem Kopf.

Für den Bob brauchte es keine schlaflosen Nächte mehr mit Lockenwicklern auf dem Kissen, keine Trockenhaube, kein stundenlanges Föhnen für die perfekte Welle, die ihrer Trägerin nicht mehr Bewegung als ein Lächeln erlaubte, weil die Frisur sonst hinüber war. Der Bob versprach Freiheit. Er war die Frisur der 60er-Jahre, der Swinging Sixties, der Zeit der Bewegungen, der Beatles und all der Rhythmen, die Angst einflößten, weil sie Tänze hervorbrachten, die keine Regeln kannten, den ganzen Körper in Bewegung setzten. Auch den Kopf.

Und der Bob passte so gut zum Minirock, mit dem sich nicht weniger provokant und spaßvoll das Ende von alten Zwängen ausleben ließ. Die Erfinderin des Minirocks, die britische Modeschöpferin Mary Quant, gehörte natürlich selbst zu Sassoons erlesenem Kundinnenkreis, der sich bald nach Eröffnung seines ersten Londoner Salons 1954 um den Meister scharte. Das Magermodel Twiggy begab sich ebenso vertrauensvoll in Sassoons Hände wie Mia Farrow. Für die Kurzhaarfrisur, mit der sie in Polanskis "Rosemary's Baby" für Aufsehen sorgte, bekam er 5000 Dollar.

Doch nicht jeder war von Sassoons Frisierkünsten sofort begeistert. Zumal er in seinem Salon gar nicht daran dachte, immer die Wünsche seiner Kundinnen zu erfüllen. Schließlich ging es um seinen Stil, um seinen Ruf. Der Schauspielerin Georgia Brown schnitt er vor der Premiere eines Musicals die Haare so kurz, dass sie ihn anschrie. Aber nachdem sie an dem Abend lauter Komplimente bekommen hatte, entschuldigte sie sich.