Pelze kommen heute leichter daher. Und sie gehen nach wie vor gut über die Ladentheken – trotz Kritik der Tierschützer. Doch nicht nur die Ware, auch der Kundenkreis hat sich gewandelt.

Judith Hoppermann

Frankfurt/Main. Die Ladentür von Hans Schwarz ist kaum zugefallen, da wird sie wieder aufgedrückt. Ein Schwall kalter Luft strömt in den schmalen Raum – für die Kundinnen aber kein Problem. Denn sie stöbern dick eingepackt durch die Kleiderständer mit Ziegenfelljacke, Pelzmantel und Lederjacke. Immer wieder lugt ein Preisschild hervor: 500 Euro, 700 Euro – „nach oben ist für Pelze keine Grenze gesetzt“, sagt Ladenbesitzer Hans Schwarz.

Rentnerin Christel Gesch dreht sich in dem Frankfurter Geschäft vor dem Ganzkörperspiegel hin und her. Über der braunen Strickjacke trägt sie eine schwarze Fellweste. „Gelocktes Schafsfell, ein Persianer“, erklärt Schwarz. Das Material ist schon alt. „Den Mantel hat meine Mutter von meiner Großmutter geerbt“, sagt die Frau aus dem Hochtaunuskreis. Zweimal wurde er schon umgearbeitet, dieses Mal hat Kürschner Schwarz daraus eine Weste gemacht. 450 Euro lässt sie sich das kosten. Die Mäntel im Pelzladen finde sie „total schick“, aber als Rentnerin könne sie sich so etwas eher nicht leisten.

Noch in den 1960er Jahren wäre Gesch die typische Pelz-Kundin gewesen: „Weiblich, über 50 oder 25 Jahre verheiratet. Da gab es als Geschenk einen Nerz“, sagt Susanne Kolb-Wachtel vom Deutschen Pelzinstitut (DPI) in Frankfurt. Mittlerweile seien die Kundinnen meist Singles ab Mitte 20. Auch die Einstellung zum Pelz habe sich gewandelt: „Pelz ist heute kein Statussymbol mehr. Vielmehr wissen die Kundinnen, was sie wollen, und sagen: Das gönne ich mir jetzt, denn ich kann es mir leisten.“

Es sind Frauen wie Anne-Nathalie Meekel-Praun: Die Französin lebt in Frankfurt, stammt aber aus Paris. „In Deutschland steht man Pelz viel kritischer gegenüber, wenige Frauen in meinem Alter tragen Pelz“, sagt die 45-Jährige. Das sei eine Einstellungssache. „Mir ist nur wichtig, dass ich weiß, woher der Pelz kommt.“ Kolb-Wachtel vom Pelzinstitut spricht von einem Wertewandel: „Die Frauen haben ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Sie sagen: Ich esse ja auch Fleisch, warum sollte ich keinen Pelz tragen?“

Kritik von Tierschützern

Solche Argumente lässt die hessische Tierschutzbeauftragte Madeleine Martin nicht gelten: „Man muss heute keinen Pelz mehr tragen, die Zeiten haben sich geändert“, sagt sie. Früher sei es darum gegangen, möglichst viel von einem geschlachteten Tier zu verwerten. „Aber Rind und Schwein, das sind ja nicht die Materialien, aus denen die Mäntel gemacht werden“, sagt sie. Zudem brauche heute keiner mehr einen Pelz zum Warmhalten. „Da gibt es Funktionsjacken, die sind dünner, wärmer und auch sehr modisch.“ Kritisch sieht Martin auch die oft nicht artgerechte Haltung der Tiere.

Auch Ladenbesitzer Schwarz will, dass es den Tieren gut geht, bevor sie getötet werden. „Schließlich bekommen sie nur ein schönes Fell, wenn sie gut gepflegt werden“, erklärt er. Und das sei – so wie schon in den 1960ern – entscheidend für einen schönen Mantel.

Bis auf das Material habe sich dieser aber komplett verändert, sagt Kolb-Wachtel: „Heute gehen wir mit dem Mantel nicht nur in die Kirche, er muss einen ganzen Tag lang passen: Morgens ins Büro, zum Einkaufen, zum Kaffeetrinken.“ Schon lange sei der Pelz nicht mehr schwer und unbequem, sondern eher „locker, leicht, wie ein Stoffmantel“.

Mit den Pelzen hat sich die gesamte Branche verändert. Früher noch zentraler Hauptumschlagsplatz für die Kleidungsstücke, habe der Standort Frankfurt heute nur noch symbolischen Charakter. „Nach dem Krieg haben wir von einer Sonderkonjunktur profitiert, die eigentlich geografisch bedingt war. Frankfurt war plötzlich der Nabel von Deutschland, das ist heute nicht mehr wichtig“, erklärt Kolb-Wachtel.

Mit Pelzen lässt sich viel Geld verdienen

Das Institut hat aber noch seinen Sitz in der Mainmetropole. Und mit Pelzen lässt sich immer noch Geld verdienen: Rund 1,1 Milliarden Euro waren es laut DPI bundesweit im Pelzeinzelhandel im vergangenen Jahr, „Tendenz ist steigend“, sagt Kolb-Wachtel.

Mittlerweile ist Rentnerin Gesch in einen Pelzmantel geschlüpft – schwarz, außen Glattleder, innen Fell, zum Wenden. „Eigentlich brauche ich kein so modisches Teil, mir geht es eher um den ökologischen Aspekt – keine Kunstfasern“, erklärt sie. Dann hält ihr Schwarz noch einmal einen dunkelbraunen Pelzmantel hin. Der Kürschner sieht ein wenig müde aus: „Ich war gestern bis halb eins in der Werkstatt“, gibt er zu. Denn vor Weihnachten brumme das Geschäft. Er ist sich sicher: „Wenn es jetzt noch anfängt zu schneien, dann steht die Tür gar nicht mehr still.“