Statt stundenlang durch volle Läden zu laufen, kann Kleidung gemütlich vor dem PC zu Hause ausgesucht werden. Wäre da nicht das Problem mit dem Anprobieren. Aber dafür scheint es nun auch virtuelle Lösungen zu geben.

Köln. Auspacken, anprobieren, zurückschicken: Wer online Kleidung bestellt, muss sich meistens mehrere Größen schicken lassen. Denn verlässlich sagen kann der Kunde von den online entdecken Produkten nicht, ob diese ihm passen werden. Nach Schätzung des Handelsverbands Deutschland werden gerade einmal neun Prozent aller Kleidungsstücke derzeit über Internetportale bestellt. Davon werden wiederum etwa 40 Prozent zurückgeschickt. Der Hauptgrund für die Retouren: Die Kleidung passt nicht.

„Das liegt daran, dass es momentan noch keine einheitliche Normierung gibt“, erklärt Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels in Köln. Ein Taillenumfang von 75 Zentimetern zum Beispiel entspricht bei dem einen Modehaus einer S und bei einem anderen einer M. Außerdem haben sich die Deutschen in den vergangenen Jahren verändert: „Wir sind nicht nur größer geworden, auch die Proportionen sind anders als früher“, erläutert der Modeexperte.

Daher hätten immer mehr Menschen Schwierigkeiten, optimal passende Bekleidung zu finden. „Das hat zur Folge, dass viele Kunden zur Sicherheit beim Online-Einkauf zwei Größen bestellen – schließlich kann das nicht passende Kleidungsstück bequem zurückgeschickt werden. Die Kosten trägt der Versandhändler“, sagt Augustin.

Das versuchen bereits manche Portale zu umgehen, indem sie ihren Kunden virtuelle Anprobierhilfen an die Seite stellen. Zusammen mit Asaf Moses hat der Berliner Sebastian Schulze ein Tool namens „UPcload“ entwickelt. Damit können Verbraucher herausfinden, welche Konfektionsgröße sie mit ihren Maßen bei einem Hersteller bestellen müssen.

„Dazu muss der Nutzer auf der Internetseite des Versandhauses auf den entsprechenden Button klicken und demografische Daten von sich – wie Alter, Geschlecht, Gewicht und Körpergröße – in die vorgefertigte Maske eingeben“, erklärt Schulze. „Am Ende des Tools erhält er innerhalb von 20 Sekunden eine Empfehlung, welche Kleidergröße er bestellen sollte.“ Wer beispielsweise einen kleinen Bauch hat oder die Kleidung lieber etwas lockerer trägt, könne dann einfach eine Nummer größer kaufen. Nutzen kann man UPcload derzeit unter anderem auf Otto.de, bei The North Face oder Hemdschneider.de.

Ähnlich funktioniert der „Jeans Finder“ von Macy's: Er kombiniert demografische Angaben, wie sie auch UPcload abfragt, mit Fragen nach dem bevorzugten Kleidungsstil. Außerdem gibt es Tools, die mit Referenzstücken arbeiten: So etwa die App von Shoefitr, die auf Basis gut passender Modelle, die der Kunde bereits besitzt, Schuhe mit gleichen Maßen vorschlägt.

Zwar ist sich Entwickler Sebastian Schulze sicher, dass künftig immer mehr Verbraucher ihre Kleidung über das Internet bestellen. Virtuellen Varianten, die 3D-Abbildungen der Nutzer erstellen, steht er jedoch noch skeptisch gegenüber. „Momentan ist die Technik noch nicht ausgereift genug“, findet Schulze.

Genau daran arbeitet derzeit unter anderem das Unternehmen Human Solutions. Mit dem Tool „Vidya“ soll sich Kleidung an Menschen simulieren lassen. Der Unternehmen verspricht, dass das Programm unterschiedliche Stoffe, Schnitte sowie die Faltenwürfe realistisch darstellen kann. Auch der Verlauf von Nähten oder Versteifungen im Material wie Reißverschlüsse sollen nachvollziehbar für den Verbraucher sein, ohne dass er das Kleidungsstück tatsächlich anprobieren muss.

Per Bodyscanner wird zunächst ein sogenannter „Scanatar“ des Kunden in 3D erstellt. Dann kann er Kleidungsstücke, die in einem virtuellen Katalog hinterlegt sind, auswählen und dem Abbild anziehen. Mit einem Klick wechsele der Nutzer zu anderen Größen, Farben und Kleidungsstücken, heißt es beim Unternehmen. Derartige Körperscanner werden auch von Bodymetrics oder Styku angeboten.

Wie realistisch diese Scanner derzeit tatsächlich Kleidung am Menschen nachbilden können, ist umstritten. Modeexperte Axel Augustin hat seine Zweifel: „Bislang kann die Visualisierung nur eine Hilfestellung sein“, sagt er. „Die unterschiedlichen Stoffe etwa lassen sich nur schwer realistisch darstellen.“ Das Ergebnis sei seiner Meinung nach momentan nicht zuverlässig genug. Auch könnten die Farben der Kleidung von der des virtuellen Abbildes abweichen – was wiederum zu Enttäuschungen beim Kunden führen könnte, wenn die Ware eintrifft.

Doch Augustin sieht noch ein anderes Problem beim Online-Shopping: „Man kann die Kleidung nicht spüren.“ Eben das sei jedoch wichtig, um entscheiden zu können, ob das Kleidungsstück gefällt oder nicht. Dies bestätigt auch die Shopping-Beraterin Stephanie Zarnic aus München. „Ob der Stoff kratzt oder nicht, ob er mir zu dick oder zu dünn ist, kann ich nur herausfinden, wenn ich das Kleidungsstück tatsächlich anprobiere.“ Man müsse das Kleidungsstück nicht nur sehen können, sondern auch fühlen und mit anderen Stücken vergleichen.