Das Einstecktuch kommt wieder in Mode. Gerade jüngere Männer stecken sich das schicke Stück ins Sakko. Dazu kombinieren sie Jeans und Poloshirt.

Ulm. Wer an ein Einstecktuch denkt, dürfte es sich in der Brusttasche eines Bräutigams oder eines älteren Herrn vorstellen. Doch dieses Bild ist veraltet. Das Einstecktuch, auch Pochette genannt, tragen derzeit besonders gerne junge Männer – und das im edlen Sakko zur gar nicht so feinen Jeans. Teils gibt es die Jacken schon mit fest eingenähtem Tuch. Das schicke Stück ist Sinnbild für den Gegensatz der derzeitigen Männermode: Lässig, aber schick soll sie sein.

Die Pochette kam Anfang des 19. Jahrhunderts auf. In der Biedermeierzeit begann das einfache Bürgertum, sich zu schmücken, erklärt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts in Köln. Elemente dieses konservativen Stils sind heute wieder in Mode: „Seit einigen Saisons sprechen wir über eine neue Bürgerlichkeit“, sagt Müller-Thomkins. Modebewusste spielten heute gerne den Spießer.

Das Tuch im Sakko können Männer daher derzeit zu jedem Anlass tragen – ohne Angst haben zu müssen, zu schick angezogen zu sein, findet die Personal Shopperin Sonja Grau aus Ulm. Selbst in sportliche Sakkos passe es. Üblicherweise sei es aber richtig, wenn „stilvolle Eleganz“ gefragt ist. Klassischerweise steckt das Tuch daher im Sakko fürs Büro oder für Abendveranstaltungen.

Doch die Designer wagen Neues: Hersteller Roy Robsen kombiniert ein Tuch mit rustikalem Karomuster zur Cordjacke, dazu trägt der Mann Polohemd. Patrizia Pepe lässt das Sakko mit Tuch zum Jeanshemd tragen. Bei s.Oliver blitzt aus der Brusttasche eines grauen Sakkos ein gestreiftes Tuch heraus. Eine kunterbunte Pochette steckt Eton in eine schwarze Jacke. Etwas Dandyhaftes vermittelt der strahlend blaue Anzug von Sieger, ein rotes Tuch steckt locker in der Brusttasche.

Der Begriff Pochette ist aus dem Französischen abgeleitet und bedeutet so viel wie „kleine Tasche“, erklärt Modekritiker und Buchautor Bernhard Roetzel. Das Tuch sei klassisch aus feiner Seide oder weißem Leinen. „Ursprünglich war die Pochette ein Tuch, das man tatsächlich als Schnupftuch in der Brusttasche hatte. Es hat sich dann aber in ein reines Ziertuch umgewandelt.“

Heute hat das Stück Stoff eigentlich keine Funktion. Bernhard Roetzel findet aber, es sei durchaus elegant und zeuge von Souveränität, wenn sein Besitzer es gelegentlich hervorholt und nutzt. Er müsse allerdings in der Lage sein, das Tuch hinterher wieder ordentlich einzustecken. Gerd Müller-Thomkins hält davon nichts: Das Einstecktuch sei erst ein Einstecktuch, wenn es nicht mehr als Taschentuch genutzt wird. Und dann sei der Mann ein wahrer Gentleman, sagt der Modeexperte.

Gefaltet wird das Tuch auf verschiedene Weisen und je nach Anlass. Für ein Geschäftsessen sollte es etwa viereckig sein – die klassische Faltung, erklärt Roetzel. Eine Herangehensweise ist, das quadratische Tuch in drei Schritten jeweils zu halbieren und dann eine der beiden kürzeren Seiten so weit hochzuklappen, dass ein kleiner Abstand zur Oberkante bleibt. Das Tuch schaut so noch etwa einen Zentimeter aus der Sakkotasche heraus. Hierfür wird üblicherweise weißes Leinen genommen, sagt Grau.

Eleganter – und damit für den Theaterbesuch oder eine Verabredung im gehobenen Restaurant geeignet – wirkt die Dreiecksfaltung. Die Tücher hierfür sind traditionell einfarbig oder gestreift. Die linke Ecke des Tuchs wird bis zur Mitte gefaltet, die gegenüberliegende ebenfalls, so dass sie mit der Spitze an den Rand der nun geraden linken Seite stößt. Die untere Spitze wird dann zur Mitte gefaltet. Mit der verbleibenden Spitze nach oben gerichtet kommt das Tuch in die Sakkotasche. Die Alternative ist, das Viereck zum Dreieck zu falten und die beiden langen Spitzen in die Mitte zu legen.

Lässig und locker sitzt das Tuch in der Bauschfaltung in der Sakkotasche. Das Signal: Ich habe mich nicht in Schale geworfen, ich bin schon so elegant. „Die strengere Form ist im Geschäftsbereich aber die sicherere Variante“, rät Roetzel.

Für den Bräutigam bietet sich die Kronenfaltung an. Diese ist recht kompliziert: Das Tuch wird zum Dreieck gelegt. Die beiden spitzen Ecken werden schräg nach oben gefalten, so dass sie neben der breiten oberen Spitze liegen. Die untere Kante wird nun ein Stück nach oben gefaltet – und fertig. Umgedreht kommt das Tuch in die Tasche.

Beim Kauf sollten Männer darauf achten, dass die Pochette nicht zu klein ist und eine handrollierte Kante hat, rät Modeexperte Roetzel. Die gerollte Kante lasse den Faden fast unsichtbar erscheinen. Sie sei aber meist nur im hochpreisigen Segment zu finden. Er empfiehlt außerdem, zu einem Anzug mit Krawatte immer eine Pochette zu tragen. Auch wenn viele Männer dies als übertrieben und dandyhaft empfinden, diese Kombination sei immer korrekt und elegant. Für Gerd Müller-Thomkins ist die Pochette derzeit das Zeichen für jene, die von sich behaupten wollen, modebewusst zu sein. Der Mann zeige damit, er trage nicht nur „das typische 08/15-Bürooutfit“.