Berlin. Und wer sieht Ihnen ähnlich? Eine Internetseite hilft jetzt jedem Menschen, seinen unbekannten Doppelgänger zu finden.

Man schaut einmal hin. Und dann noch einmal. Und dann, tatsächlich: Die sehen sich so ähnlich, wie Zwillinge! Das irische Projekt „Twin Strangers“ bringt fremde Menschen zusammen, die sich zwar extrem ähnlich sehen, aber nicht verwandt sind – fremde Zwillinge eben.

Die Internetseite wurde von drei Freunden ins Leben gerufen: Harry English, Niamh Geaney und Terrence Manzanga wetteten, je mindestens einen Doppelgänger zu finden. Inspiriert wurden sie dabei von der Journalistin Sophie Robehmed, die bereits 2011 über Facebook und Youtube versuchte, ihre Doppelgängerin zu finden. Und sie tatsächlich fand. Dazu kam die Theorie, dass angeblich jeder Mensch sieben Doppelgänger auf der Welt hat. Sie fragten sich, lässt sich das irgendwie beweisen? Die drei Freunde riefen bei Facebook andere Nutzer dazu auf, ein Foto von sich hochzuladen, um ihr Spiegelbild zu finden.

Niamh Geaneys Doppelgängerin lebt eine Autofahrtstunde entfernt

Die Ergebnisse sind verblüffend: Niamh Geaney fand Karen Branigan, die nur eine Autostunde von ihr entfernt wohnt und ihr sehr ähnelt. Inzwischen hat sich noch eine zweite Doppelgängerin bei ihr gemeldet, die Italienerin Luisa Guizzardi. Und auch die Amerikanerinnen Ambra aus North Carolina und Jennifer aus Texas entdeckten sich auf der Internetseite. Trotz zehn Jahren Altersunterschieds sehen sich die beiden zum Verwechseln ähnlich: Dabei sind sie weder verwandt noch haben sie sich je getroffen. Seit dem Start der Seite haben sich nach Angaben der Betreiber 700 solcher Doppelgänger gefunden.

Doch wie kann das sein? Die Existenz von fremden Zwillingen sei schlichte Wahrscheinlichkeitsrechnung, sagt der Wissenschaftler Andreas Busjahn. Er ist Psychologe und baute an der Charité und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin eine Arbeitsgruppe zur Zwillingsforschung auf. 2003 gründete er das Berliner Zwillingsregister. Der Grund, warum sich Menschen extrem ähnlich sehen, ohne Verwandtschaftsverhältnis, ist beinahe erschreckend rational. „Es gibt nur einen begrenzten Pool von äußeren Merkmalen, zum Beispiel Augenabstand, Nasenformen oder Gesichtszüge.“ Die Unterschiedlichkeit dieser Merkmale sei dabei nicht so erheblich, wie man denkt, erklärt Busjahn.

Hauptmerkmale sind Knollennase oder volle Lippen

Der Erfolg des Projekts überrascht ihn deshalb nicht: „Erstens gibt es für diese Merkmale bestimmte Hauptvarianten, die öfter vorkommen als andere.“ Das könnte etwa eine Knollennase oder volle Lippen sein. Zweitens sei durch die Masse der Weltbevölkerung zu erklären, dass manche dieser Merkmale besonders oft vorkommen. „Wenn man lange genug sucht – wie auf einer Facebookseite – dann hat man gute Chancen, die gleiche Kombination zu finden.“ Man meldet sich, und die Ähnlichkeit ist für jeden sichtbar. Dazu kommt eine Besonderheit in der menschlichen Wahrnehmung: „Wir fokussieren uns auf hervorstechende Merkmale, was unauffällig ist, blenden wir aus“, sagt Busjahn. Je auffälliger Merkmale seien, desto eher werde ein Gesicht als ähnlich empfunden.Das fällt besonders bei Fremden auf. „Schwarze und asiatische Menschen sehen für uns fast alle gleich aus – weil ihre Gesichter für uns keine auffälligen Merkmale aufweisen.“ Umgekehrt sei es mit eineiigen Zwillingen: „Für Fremde ist es schwer, aber die Eltern können ihre Kinder immer auseinanderhalten, weil sie in deren Gesichtern viele auffällige Merkmale erkennen.

350.000 Menschen sind auf der Doppelgängerseite registriert

Geaney hat von den drei Freunden bislang ihre ähnlichste Doppelgängerin gefunden. Doch die Chance auf einen optischen Aha-Moment hat jeder: Wer sein Glück versuchen will, kann sein Foto auf der Facebookseite von „Twin Strangers“ (www.twinstrangers.com) hochladen und auf Übereinstimmungen hoffen – aktuell haben sich dort mehr als 350.000 Menschen registriert. Und es geht nicht nur um Äußerlichkeiten: Die fremden Zwillinge berichten, sie hätten auch charakterlich einiges gemeinsam. Abseits aller Statistik gibt es den mystischen Seelenverwandten vielleicht also doch.