Wie sich die Ängste der Geschichte wiederholen oder warum verdrehte Wahrheiten über den Ukraine-Krieg auf fruchtbaren Boden fallen

In der Ukraine tobt nicht nur ein schmutziger, heimtückischer Krieg, und das auch mitten im sogenannten Waffenstillstand, sondern auch eine zynische Verballhornung der Wahrheit durch den hauptverantwortlichen Putin, dessen Mischung aus Dreistigkeit und Zynismus kaum zu überbieten ist.

So hat der Kreml-Drahtzieher über die Kesselschlacht von Debalzewe, bei der die russische Armee die Regie geführt und die schweren Waffen geliefert hat, gehöhnt, wie schmerzhaft es für die ukrainische Armee sein muss, von „früheren Bergarbeitern und Traktoristen“ überrannt worden zu sein. Und sein Außenminister höhnte, dass die ukrainischen Soldaten in der Gefangenschaft zum ersten Mal ein warmes Bett, geheizte Unterkünfte und Essen bekommen hätten.

Das war von Anfang an so. Die russische Armee, die die Krim heim ins heilige Russische Reich holte, waren anfangs keine Soldaten, wie sich Putin nach dem Sieg offen brüstete, das holländische Passagierflugzeug wurde nicht von einer russischen Skud-Rakete aus dem heiteren Himmel geholt. Und kämpfende Soldaten aus Russland hatten sich im Donbass auf Urlaub befunden oder aus Versehen verlaufen. Militärexperten führen Tag für Tag vor, wie sich die russische Kriegsführung beweisen lasse. Wer Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, kann sich davon tagtäglich überzeugen.

Nun hat das Auswärtige Amt seinen Beamten eine Handreichung geliefert, die „18 russischen Mythen“ über die Ukraine-Krise widerlegt, beispielsweise von Faschisten, die in Kiew an der Macht seien. Die Wahrheit: Alle faschistischen Parteien scheiterten an der Fünfprozenthürde, sie hätten nur 1,16 Prozent und 0,7 Prozent erreicht. Oder: Die Absetzung des (prorussischen) Präsidenten Janukowitsch sei ein Staatsstreich gewesen. In Wahrheit ist die Regierung bei Nacht und Nebel nach Russland geflohen.

Der Grund, weshalb solche Wahrheitsverdrehungen bei vielen auf fruchtbaren Boden fallen, ist der, dass wir glauben wollen, was uns sonst in unserer berechtigten Kriegsangst ein schlechtes Gewissen machen würde.

1939 hieß die gleiche Angst „Sterben für Danzig“. Und sie hat sogar ihre Berechtigung. Deshalb hält Merkel am Versuch fest, Putin in die Lösung des Konflikts einzubinden. Auch wenn er es dem Westen immer schwerer macht.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt