Jedes zweite Kind von heute ist noch nie auf einen Baum geklettert, zeigt eine Umfrage. Anmerkungen eines Möchtegern-Tarzans

Jetzt wird es kritisch. Das Emnid-Institut befragte im Auftrag der Deutschen Wildtier Stiftung rund 1000 Eltern mit Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren. Das Ergebnis schockiert. Fast die Hälfte des Nachwuchses ist noch nie allein auf einen Baum geklettert. Wollen die Erdnuckel bleiben?

Vielleicht müsste man den Kindern die Sache näherbringen. Bäume, könnte man ihnen sagen, das sind nicht nur diese verholzten Pflanzen, die dafür sorgen, dass der Horizont nicht zu linear verläuft. Bäume sind prima Öko-Klettergerüste, an denen man Kraft und Geschicklichkeit trainieren kann. Auch das gekonnte Herunterfallen kann früher oder später sehr nützlich sein. Auf einem Baum kann man das Leben aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Das kann man zwar auch, wenn man in die Hocke geht, aber erst auf den Bäumen kann man substanziell größer werden, und das ist ja auch irgendwie ein Ziel von Kindheit.

Und was wäre die ohne die Geschichten von Astrid Lindgren? Ihre Pippi Langstrumpf hatte einen Limonadenbaum. Kein Zufall. Die Autorin erinnerte sich: „Ich bin auf Pferden geritten und auf Dächer und Bäume geklettert, wir sind geklettert, dass es ein Wunder ist, dass wir nicht dabei umgekommen sind, denn wir haben ein lebensgefährliches Leben geführt, ohne uns dessen bewusst zu sein.“ No risk, no fun, ihr Vier- bis Zwölfjährigen! Wahrscheinlich sind Nichtkletterer auch die Kinder, die keinen Klimmzug mehr schaffen und glauben, Kühe hätten ein lila Fell. Wächst da eine Generation von Natur-Legasthenikern heran, die die Dendrophobie – Angst vor Bäumen – zu einer neuen Zivilisationskrankheit macht?

Früher wurden Bäume geliebt, werden sie heute nur noch geduldet und von Hunden angepinkelt? Andererseits sind sie auch für ihren Gleichmut bekannt. Was stört es die Eiche, wenn sich eine Wildsau an ihr scheuert? Oder halt keine Sau mehr auf sie raufklettert.