Heinrich August Winklers grandioses 4500 Seiten starkes Geschichtswerk über unseren Kulturkreis ist beendet

Soeben ist der letzte Band von Heinrich August Winklers „Geschichte des Westens“ erschienen. Ein gewaltiges Werk, in vier Bänden über 4500 Seiten dick und von 2009 bis jetzt, also in sechs Jahren, von dem an der Berliner Humboldt-Universität lehrenden Winkler allein gestemmt.

Die „Geschichte des Westens“, das ist natürlich kein geografischer Begriff, obwohl in ihm das Abendland, noch dazu das griechisch-römisch-christliche Abendland mitschwingt. Man darf die Bände als einen umgekehrten Trichter betrachten. Der erste Band reicht von den Anfängen der Antike bis ins 20.Jahrhundert, die letzten beiden Bände „Vom Kalten Krieg zum Mauerfall“ und der eben erschienene bis in „Die Zeit der Gegenwart“, wo wir statt des fröhlich prophezeiten „Endes der Geschichte“ neue, nie geglaubte Verwerfungen erleben, wie den Ukraine-Krieg und die blutigen Auseinandersetzungen nach dem Arabischen Frühling, der doch endlich den Nahen Osten befreien und befrieden sollte.

Die Essentials der „Geschichte des Westens“ sind die bürgerlichen Rechte, die Kontrolle des Staats durch ein frei gewähltes Parlament und die Unabhängigkeit der Gerichte. Weder die christlich geprägte Individualität, nach der Reformation mit ihrer Gottesverantwortung des Einzelnen, noch die Parolen der Französischen Revolution: „Liberté, Égalité, Fraternité“ haben eine Geschichte ohne Blutbäder und Abschlachtorgien garantiert. Für die Egalité wie für die Glaubens- und Nichtglaubensfreiheit folgt das terroristische Blutbad aller Revolutionen nach der Parole: „Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein.“ Aber immer konnte den Menschen ein Ideal vorschweben, das Kant im Kategorischen Imperativ formuliert hatte.

Lange schien unsere Welt in der „Pax Americana“, dem missionarischen Sendungsbewusstsein der USA (die gleichzeitig als ökonomische und politische Ordnungsmacht, als „Weltpolizei“ fungieren wollte) sich für unsere Zeit zu erfüllen. Wir in Europa, oder noch enger: in Mitteleuropa, verdanken ihr die längste Zeit friedlicher Freiheit und relativen Wohlstands der Weltgeschichte.

Doch damit ist es leider wieder vorbei. Es gibt neue Weltzentren, die nicht auf „westliche“ Ideen gegründet waren und sind. Sie haben zudem die politischen Ideen des Westens als koloniale Opfer kennengelernt.