Jeder dritte Bürger fühlt sich jetzt antriebslos und müde. Dabei kann Kälte auch glücklich machen

Die ums Volkswohl stets sehr besorgten Pharmazeuten haben in ihrem Zentralorgan, der „Apotheken Umschau“, den Deutschen mal wieder den medizinischen Spiegel vorgehalten und das Ergebnis einer Umfrage unter mehr als 2000 Frauen und Männern veröffentlicht. Danach leidet jeder dritte Bundesbürger unter dem Winter.

Das Ergebnis der Befragung zeigt, wie sensibel wir alle auf die Eigenarten der dunklen Jahreszeit reagieren. Von Antriebslosigkeit ist da die Rede, von ständiger Müdigkeit, sogar von Depressionen. Aktuelle Epidemien, wie der Verlust der Gastfreundschaft zugunsten absurder gesellschaftspolitischer Vorstellungen, konnten wegen der kurzen Inkubationszeit noch gar nicht berücksichtigt werden.

Nun wissen wir ja, dass der Winter auch schon mal ein rechter Mann sein kann, dessen Kleid sich wie Eisen anfühlt, wie es im Volkslied heißt. Aber wird man ihm wirklich gerecht, wenn man ihm so viele unfreundliche Symptome anhängt? Er ist doch auch ein Guter, weil er die Menschen dazu bringt, sich länger mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Das wissen wir eigentlich auch schon sehr, sehr lange. Denken Sie nur an die Höhlenmalereien unserer Steinzeitvorfahren!

Aber auch Schneeengel, Feuerzangenbowle und Grünkohl gehören in die Reihe traditioneller Winterfreuden. Das schlechte Image könnte also eine tragische Fehldiagnose sein.

Wird denn im Frühling wirklich alles besser? Auch in dieser Weichei-Jahreszeit zwischen Winter und Sommer jammern die Leute doch ewig rum. Sie neigen dann zu plötzlichem Bewegungsdrang, klagen über Hormonschwankungen, manche über Herzrasen und einer mit dem Frühjahr verbundenen Müdigkeit.

Nein, lassen Sie sich nicht kleinkriegen, stehen Sie zu Ihrem Winterblues, denn Kälte kann auch glücklich machen. Inuit, Schneehühner und Yetis wissen das. Aber die werden natürlich von dieser Umschau, die immer mit einer Frau im schneeweißen Apothekerkittel wirbt, nur selten befragt.