Ein australischer Biologe will die Jahreszeiten neu ordnen. Alles scheint möglich – solange Hamburg den Herbst behält

Ein Blick aus dem Fenster reicht im Norden normalerweise nicht, um mal eben zu überprüfen, in welcher Jahreszeit wir gerade sind. Herbst? Das könnte an neun Monaten zutreffen, und für die restlichen drei passt „kein Sommer“. Der Zweifel an Frühling, Sommer, Herbst und Winter hat jetzt auch Aus-tralien ergriffen, weswegen dort der Direktor des Royal Botanic Garden von Melbourne, der Biologe Tim Entwisle, die Jahreszeiten, den „kulturellen Ballast“, neu ordnen will. Den Winter will er um vier Wochen kürzen, den Frühling splittet er in Sprinter (die englische Mischung aus Frühling – spring – und Winter) und Sprummer (spring und summer) vor dem auf vier Monate verlängerten Sommer und dem Herbst. Australischer Mumpitz?

Immerhin unterschied die kluge Antike bis ins fünfte Jahrhundert vor Christus auch nur zwischen Frühling, Sommer und Winter. Kein Herbst? Na ja, Hamburg gab es damals noch nicht. Aber in weiser Voraussicht schuf Hippokrates, der berühmteste Mediziner seiner Zeit, die vierte Jahreszeit. Da war er selbst im reifen Mannesalter und sah die Veränderungen in der Botanik widergespiegelt im menschlichen Lebensrhythmus. Den Frühling erklärte er zur Kindheit, den Sommer zur Jugend, den Herbst zum Erwachsenen und den Winter zum Greis, auch wenn der heute zum fitten Senior mutiert ist.

Seit der Antike ist eben vieles im Fluss. Die alten Griechen ordneten die Welt im Viererpack, ob mit den Grundelementen Feuer, Erde, Luft und Wasser oder der medizinischen Viersäftelehre von Blut, Schleim, gelber und schwarzer Galle. Und da der Mensch nicht gern allein ist, definierte er alle kosmischen Zustände mit Paarbindungen: warm oder kalt, feucht oder trocken. In dieses 2500 Jahre alte Schema passt das Hamburger Wetter perfekt hinein. Weil es sich aber meist für keine dieser Elementarqualitäten eindeutig entscheiden will, lässt es alle auf einmal zu. Jahreszeiten stören da nur.