Im nordfriesischen Rodenäs haben sich alle Bürger vom Sie verabschiedet, sogar der Bürgermeister in seinem Schriftverkehr

Neue schwedische Möbel im großen Stil gibt es hierzulande nur im „Ich duze dich, ob du willst oder nicht“-Ambiente. Auch beim Friseur ist das vertrauliche Du immer öfter im Preis mit drin. Manchmal ist das Du auch nur ein Missverständnis. Wie beim niederländischen Du (jij, klingt wie jäi), das ähnlich dem englischen You eher ein Sie ist – also kein Zeichen von Freundschaft oder Nähe, sondern nur die übliche Anrede. Du oder Sie? Im Alltagsdeutsch stecken Tücken. An der Supermarktkasse lassen sich Unsicherheiten galant umschiffen mit „Du, Frau Müller“ oder dem hanseatischen „Tina, geben Sie mir mal die Wechselgeldrollen“. Nur ein nordfriesisches Dorf widersetzt sich komplett dem Etikette-Sie. Rodenäs ist Deutschlands erstes Du-Dorf.

Hier, in der nördlichsten Gemeinde auf deutschem Festland, duzen sich alle. Bürgermeister Jörg Nissen sogar im förmlichen Schriftverkehr, jedenfalls mit den 450 Bewohnern. Das ist praktisch, weil die Bürger im deutsch-dänischen Grenzgebiet fließend fünfsprachig sind: Plattdeutsch, Hochdeutsch, Friesisch, Dänisch plus Sønderjysk, eine Art Dänisch aus Südjütland. „In Dänemark gibt’s auch kein Sie“, sagt Nissen. Von der Königin mal abgesehen.

Bei uns fühlen sich manche Büromenschen unwohl, wenn das Sie mit Respekt und Distanz zum kumpeligen Du mutiert. Eine Mehrheit will das Du auf Freunde beschränkt wissen. Jeder Vierte hat bereits ein Duz-Angebot abgelehnt. Im Beruf gehe der Trend wieder zum Sie, meint Etikette-Trainerin Linda Kaiser von der Knigge-Gesellschaft, Kreative ausgenommen.

Siezt du noch, oder duzen Sie schon? In Schweden setzte das große Duzen ein, als Bror Rexed, Chef der nationalen Sozialbehörde, 1967 verkündete, er werde seine Beamten in Zukunft duzen. Bis dahin war es üblich, Fremde in der dritten Person anzureden. „Möchte Herr Svensson mir bitte die Vorteile des Billy-Regals nahebringen?“ Dann doch lieber duzen.