Im Altdeutschen war es das Synonym für „In der Fremde leben“ – ewiger Frieden bleibt eine Illusion

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den Anfängen der Arabellion schien eine gewaltfreie, sozusagen posthistorische Welt ohne Kriege zu entstehen. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Fluchten, Vertreibungen, der Völkermorde und ethnischen Säuberungen, der Glaubens- und Ideologienkriege gewesen. Das war jetzt vorbei. Immanuel Kants Wirtshaus „Zum ewigen Frieden“ schien nahe; teuer genug bezahlt mit dem Genozid in Armenien am Anfang des Jahrhunderts, über den Holocaust bis zum Genozid in Kambodscha und das blutige Nachspiel im zerbrechenden Jugoslawien.

Alles schien sich zu wenden. Friedlich lösten sich die baltischen Staaten, die Ukraine oder Georgien aus dem roten Zarenreich. Die Deutschen, die aus der DDR über Ungarn und die Prager Botschaft zu flüchten suchten, durften nach Hause – ihre Reise führte zur Wiedervereinigung ohne einen Blutstropfen.

Ewiger Frieden, nach der Arabellion auch im Orient. Welch eine Illusion!

Jetzt, wo terroristische Islamisten im Irak wie in Syrien oder Libyen mordend umherziehen, wo in Mali der islamische Boko Haram mordet und Mädchen verschleppt, begeben sich neue Millionen auf eine neue Flucht vor dem bestialischen Tod: Die Jesiden und Kurden sind die jüngsten Opfer.

Flüchtlingselend an allen Ecken und Enden, auch in der Ukraine. Ich verdanke es einem Leserbrief, dass ich erinnert wurde, dass im Altdeutschen „Elend“ ein Synonym für „In der Fremde leben müssen“ ist. Mir fiel das Lied ein, das ich als 18-Jähriger in einem Schulchor gesungen hatte: „Innsbruck, ich muss dich lassen / ich fahr dahin mein Strassen / in fremde Land dahin. / Mein Freud ist mir genommen / die ich nit weiß bekommen / wo ich im Elend bin.“ Hier ist das Elend als Flüchtlingselend sozusagen ein „weißer Schimmel“, eine Tautologie.

Der Dichter dieses Liedes von 1493 soll der Legende nach der Habsburger Kaiser Maximilian I. sein. Er schrieb es vor seinem Tod, als er wusste, dass er zum Ewigen Frieden aus Innsbruck nach Wien reisen musste. Er führte seinen Sarg mit sich auf seiner letzten Fluchtreise. Seine Erbpolitik hat dazu geführt, dass im Reich seines Enkels, Karl V., „die Sonne nicht unterging.“

Das Sprichwort „Kriege mögen andere führen, du glückliches Österreich heirate!“ geht auf seine Politik zurück. Zum ewigen Frieden hat das nicht geführt.

Hellmuth Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt