Wir sind weiter. Aber der Ball ist rund. Und der Drops ist noch nicht gelutscht. Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen

Hurra! Und auweia! Wir sind im Achtelfinale. Wir dürfen, wir müssen mindestens bis Montag, 23.45 Uhr, im Fußballfieber bleiben, wir dürfen jubeln und zittern, wehklagen und „Toooor!“ brüllen, schwermütig Sätze wie den folgenden von uns geben: „Der Drops ist noch nicht gelutscht.“ Oder nach einem nachdenklichen Schluck Bier die alte Fußballweisheit von uns geben: „Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen!“ Und Fremden mit deutschen Fahnen und Bierfahnen umstandslos in die Arme fallen.

Die „Schande von Gijón“ hat sich jedenfalls nicht wiederholt. Und unsere mit einem 1:0 besiegten Klinsi-Amis haben das (scheinbar) schwerere Los gezogen. Belgien, den Sieger der Gruppe H, der als „Geheimfavorit“ gemunkelt wird, obwohl er, wie es so schön heißt, bisher auch nur mit Wasser gekocht hat.

Und wir? Wir treffen nur auf Algerien. Nur? Moment mal, war das nicht die Mannschaft, die uns 1982 in der Vorrunde besiegt hatte? Und zwar 2:1. Und damit den „Nichtangriffspakt“ zwischen Österreich und Deutschland eingeleitet hatte, eben die Schande. Wir spielten am Tag nach Algerien und konnten uns ausrechnen, dass wir 1:0 gewinnen mussten, damit die Ösis und wir weiterkommen konnten. Genau wie jetzt übrigens, wo auf diese Weise Portugal, ebenfalls durch ein 1:0 zwischen Klinsis und Jogis Truppe, heim musste.

Die Geschichte wiederholt sich nicht? Auch damals hatten wir einen Vorteil des gewonnenen Spiels: 4:1 gegen Chile. Genau wie jetzt mit dem 4:0 gegen Portugal. Seltsamer Zufall! Nur war es damals so, dass die Deutschen und Österreicher das Ergebnis Algeriens gegen Chile schon kannten, weil Algerien am Vortag 3:2 gesiegt hatte. Sie konnten also paktieren. Und so irrte Breitner nach dem verabredeten einen Tor durch „Kopfballungeheuer“ Hrubesch durchs Mittelfeld, um nur ja keinen anderen deutschen Spieler zu finden, der um Gottes willen noch ein Tor schießt. Deshalb werden die Spiele seitdem am gleichen Tag ausgefochten. Damit nix passieren kann. Na dann! Allerdings hält die moderne Technik die Spielenden genau auf dem Laufenden. Man sah den Spielstand der Konkurrenten sekundengleich auf der Tafel. Trotzdem wurde ehrlich gewonnen und keine Zeit geschunden. Jedenfalls meistens.

Und die Algerier? Sinnen die nach 32 Jahren noch nach Rache und Revanche? Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Und der Drops ist noch längst nicht gelutscht. Und ein Spiel dauert 90 Minuten. Aber nicht einmal das gilt in den K.-o.-Runden.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt