Existenzielle Gedanken zum HSV. Am Sonntag setze ich auf das Prinzip Hoffnung. Nächste Woche ist mir das schon wieder egal...

„Hose voll, Flasche leer, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“ So heißt eine der Schlagzeilen zu dem mageren 0:0, mit dem sich der HSV einen Schritt weiter dem Abgrund zubewegt hat, nämlich aus der Bundesliga zu fallen. Am Sonntag in Fürth muss jetzt laut Schlagzeile „ein Wunder her“.

Wer sich nicht für Fußball interessiert, dem geht das so was an einem gewissen Körperteil vorbei, dass er hier wahrscheinlich das Lesen einstellt. Trotzdem muss ich sagen, dass das „Prinzip Hoffnung“, das der Philosoph Ernst Bloch als einzige Morgenröte und Motor der Menschheit beschrieb, auch außerhalb des Fußballs gilt. Ich hatte mich, seit ich älter geworden bin, und das bin ich schon lange, mit einem amerikanischen Cartoon aus dem „New Yorker“ getröstet. Da fällt ein Mann von einem Wolkenkratzer, kommt gerade im freien Fall am 12. Stock vorbei, hat ein Grinsen im Gesicht und eine Wortblase vor dem Mund, in der steht: „Bis jetzt ist ja alles gut gegangen.“ Man weiß, dass diese Hoffnung trügerisch ist, dass man aber ohne sie nicht leben könnte, und leben heißt ja, im freien Fall leben. Bis jetzt und nicht weiter. Ein Wunder wäre es, wenn zufällig in dem Moment, in dem der Stürzende heruntersegelt, übende Feuerwehrleute mit einem Sprungtuch vorbeigingen und der Stürzende darin landen würde. Oder ein Heuwagen vorbeikäme.

Wer ermessen will, was es für einen Hamburger bedeutet, wenn der HSV aus der 1. Bundesliga absteigt, der muss das erleben, was ich letzte Woche im Kreis Paderborn erlebte. Da waren die Leute völlig aus dem Häuschen, weil Paderborn nun in der 1. Bundesliga ist. Paderborn in der 1. Bundesliga, und der HSV nicht mehr: der „einzigste“ Verein, um es mit einem mondänen Superlativ auszudrücken, der immer schon in der Bundesliga war, wozu im Stadion eine ewige Uhr seit 50 Jahren läuft. Nun kann man sagen, Hamburg ist nicht Paderborn und hat auch ohne Bundesliga einiges zu bieten, trotzdem wünsche ich mir für Sonntag ein Wunder. Und wenn’s nicht klappt, das ist das Schöne an Fußball, ist mir das eine Woche später schon wieder ganz egal. Für mich ändert sich ja dadurch gar nichts, weder bin ich ärmer, weniger gesund, unglücklicher, dünner, weniger zufrieden, wenn der HSV Zweitligist wird.

Wunder soll man sich nur für solche Fälle wünschen, die einem „Wurst“ sind, um es mit einem neuen Erfolgsnamen auszudrücken. Denn Wunder, die man wirklich braucht, egal ob in Paderborn oder in Hamburg, werden nicht auf dem Fußballrasen entschieden.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt