Krieg wegen der Ukraine? Um was ich mir jetzt mehr Sorgen mache als um den Weltfrieden

Mein Lieblings-Cartoonist Til Mette hat es wieder einmal auf den Punkt gebracht. In seinem Cartoon, der die Stimmung der Woche ziemlich genau beschreibt, führt ein Ehepaar am Strand einen Hund an der Leine spazieren, am Himmel sausen Militärjets in großer Zahl aneinander vorbei, und der Mann in legerer Freizeitkleidung sagt zu seiner Frau, der die Winde oder die Jets die Haare zausen: „Ach, nur die Russen und die Nato wieder …“

Ich muss gestehen, obwohl ich den Zeitungen und mir halbherzig glaube, dass dies die größte Krise seit dem Kalten Krieg ist, ich mache mir mehr Sorgen um den HSV und seinen Abstieg als um den Weltfrieden wegen der Ukraine.

Dabei konnte man Mittwoch letzter Woche in der Dokumentation von Stefan Aust zur „Spiegel“-Affäre, die ja parallel zur Kuba-Krise 1962 erfolgte, sehen, wie nah wir damals dem Wahnsinn des atomaren Kriegs waren – und damit der Auslöschung der Erde. 8000 Raketenbunker, Atomwaffen-bestückt, gab es in Deutschland, die ihre tödlichen Waffen aufeinander richteten. Die Auseinandersetzung zwischen Augsteins „Spiegel“ und Strauß’ atomarer Strategie war da nur ein Randphänomen, denn, so lehrte die ausgezeichnete Dokumentation, Deutsche in Ost und West hätten damals von Russen wie von Amerikanern nie einen Zugang zum roten Druckknopf bekommen. Nicht einmal ein Mitspracherecht.

Dass wir dem atomaren Desaster entgangen sind, zweimal, wissen wir inzwischen durch überlebende Zeugen. Einmal verhinderte ein couragierter russischer Verantwortlicher im Abschreckungszentrum der Sowjetunion einen Gegenschlag, als Bilder einen Phantomangriff der Amerikaner à la Kubricks Film „Dr. Seltsam oder wie ich die Bombe lieben lernte“ zeigten. Das andere Mal drehte ein Atom-U-Boot kurz vor Kuba ab, gegen den ausdrücklichen Befehl aus Moskau, und verhinderte so das Undenkbare und Schlimmste.

Ach ja, Rüstung, Abrüstung, Aufrüstung und die Angst vor dem großen Bäng. Als Helmut Schmidt als Kanzler den Nato-Doppelbeschluss und damit Reagans Plan, die Sowjetunion kaputt zu rüsten, unterstützte, galt er als Kriegstreiber Nummer eins. Sogar seine Partei, die SPD, lief ihm davon und veranstaltete die größte Anti-Demonstration, die ein SPD-Kanzler je auszuhalten hatte. Er, Schmidt, sollte recht behalten, dieser Beschluss bedeutete das Ende des Kalten Krieges, des Ostblocks und der Sowjetmacht.

Eine Zeit, die jetzt ausgerechnet unter Putin in den Kalten Krieg führt? Krieg wegen der Krim? Eiszeit wegen der Ukraine?

Dazu leben die russischen Oligarchen, von denen Putin lebt, zu gerne in Baden-Baden, London, Kitzbühel und an der Côte d’Azur. „It’s the economy, stupid!“, hatte Clinton einst gesagt. Entscheidend ist das Geld.

Und da soll ich mir nicht lieber Sorgen um den HSV machen?