Vom schleichenden Niedergang einer deutschen Institution: Nicht mal mehr jeder Zweite organisiert seine Freizeit noch per e. V.

Immer mehr deutsche Vereine leiden unter Vereinsamung. Vereinspräsidenten sitzen bei Mitgliederversammlungen oft allein am Vereinstisch und halten eine ungehaltene Rede. Damit sie das Gefühl haben, doch noch gebraucht zu werden, spielen sie Applaus über ihr Smartphone ab. Für vereinsamte Vereinsführer gibt es die App Laus. Briefmarkensammler können einen zackigen Tusch abrufen, Laubenpieper das freundschaftliche Klopfen von Spechten auf der Tischplatte. Wie bedrohlich die Lage für Vereine ist, zeigt jetzt eine repräsentative Umfrage der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen unter Vereinsmitgliedern. Derzeit gehören nur noch 44 Prozent der Deutschen als Mitglied einem Verein an, Ende des vergangenen Jahrtausends waren es noch 62 Prozent gewesen. Die statutengeregelte Freizeit schreckt ab. Lästige Vereinsmeier werden abgemeiert. In manch eingetragenem Verein werden nicht nur Mitglieder, sondern auch Machtkämpfe ausgetragen. Es gibt aber auch Vereinspräsidenten, die jegliche Steuerung der Steuern missachten. Sie werden dann wie Golfbälle behandelt und eingelocht. Überhaupt sind die erfolgreichsten Bundesligavereine gar keine Vereine mehr, sondern Kapitalgesellschaften. Und der HSV? Mein lieber Herr Gesangsverein...

Dies alles hat gravierende Auswirkungen. Hörgeräteakustiker klagen darüber, dass Taubenzüchtervereine wegen Personalmangels ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen können, neue Kunden für Hörgeräte zu generieren. Sie sind nun auf schwerhörige Leute aus den Dröhnerbuden angewiesen.

Der ADAC, einst der abgefahrenste Verein, leidet am stärksten unter Mitgliederschwund. Er startet jetzt eine Imagekampagne. Sie soll Autofahrer davon überzeugen, dass ihr Club gar nicht schuld an der Austrittswelle ist. Mitglieder, die austreten wollen, weist der ADAC darauf hin, dass es für dieses Bedürfnis Sanitäranlagen in Autobahn-Raststätten gibt.