Österliche Gedanken über das Eierlegen und den Wunsch, ein Federvieh zu ein

Es muss 1938 gewesen sein, während der Sudetenkrise (der damaligen Ukraine-Krise), da war ich bei meiner Tante in Mährisch-Ostrau, weil mein Vater zum tschechischen Militär eingezogen und, da er nicht gegen die Deutschen kämpfen wollte (wozu es nie mehr kam), desertiert war, jedenfalls hörte ich damals das beeindruckende Lied der Comedian Harmonists „Ich wollt‘ ich wär ein Huhn / Da hätt‘ ich nichts zu tun / Ich legte jeden Tag ein Ei / Und sonntags hätt‘ ich frei.“

Wahlweise liefert meine Erinnerung als Schlusszeile: „Und sonntags auch mal zwei.“ Kurzum: Huhn war damals ein idealer Beruf. Das Ei eine Frühstücks-Rarität, das es nur sonntags gab, und Hühner glückliche Kratzfüße auf dem Misthaufen der Bauernhöfe, wo sie sich willig der Macho-Herrschaft eines fröhlich krähenden Hahns unterwarfen. Obwohl Erstgeborener in der Familie, und auch noch Sohn, schwöre ich, dass ich ein Huhn sein wollte und kein Hahn, obwohl mir meine Mutter damals das Lied vom Hahn vorsang: „Wer kauft mir einen hübschen, einen wachsamen Hahn? Und er wecket uns im Sommer und im Winter so früh, und er ruft ja so herrlich sein Kikerikikikikii, sein Duktiduu, sein Duktiduu, sein Wallerallerallalaa, sein Duktiduktiduhuu, sein Kikerikikikikiiieee.“

Vorbei die Zeiten, da die Ostereier noch von den emsig färbenden Großmüttern stammten. Vorbei die falsettartig schmetternden Comedian Harmonists, die in Deutschland genau 1934 als entartete Kunst verboten und zur Auflösung gezwungen waren.

Robert Biberti sah ich später in den 60er-Jahren in Diener-Tattersall am Savigny-Platz, wo er stumm vor einem Bommi mit Pflaume saß, der Wirt, ein ehemaliger Boxer namens Diener, war gestorben, und die Comedian Harmonists noch nicht wieder im Film und durch Max Raabe auferstanden. Doch ihre Jahreszeit war immer Ostern, immer der ewige Frühling. So besangen sie auch die zweite Symbolkraft des Frühlings, den schießenden Spargel („Veronika, der Lenz ist da, / die Mädchen singen Tralala, / die ganze Welt ist wie verhext, / Veronika, der Spargel wächst“), auch die stachelige Kehrseite des Frühlings, den „kleinen grünen Kaktus“, wobei das stachelige mexikanische Gemüse auch wegen seiner lautmalerischen Assoziation (eine sogenannte Kakofonie) als Kaktus sehr beliebt war.

Und als Max und Moritz der Witwe Bolte ihre Hühner erst aufhängten und dann verspeisten („Ihrer Hühner waren drei / Und ein stolzer Hahn dabei“), geht das Ende der fruchtbarkeitssymbolischen Eierleger so: Sie hängen am Baum, strangulieren sich am Brot, das sie verschlucken, zu Tode und sind noch im Sterben voller Schaffenskraft. „Jedes legt noch schnell ein Ei – und dann kommt der Tod herbei.“ – Wobei das „Ei“ des Hahns eher einem Kaktus gleicht.