Der Autor Hellmuth Karasek über clevere Krähen, und wie sie Autofahrer dazu bekommen, ihnen zu helfen.

Neulich fuhr ich nahe der holländischen Grenze über eine Landstraße, die an einem hügeligen Wald vorbeiführte. Und sah, für mich zum ersten Mal, dass an vielen Bäumen silbern blitzende CDs hingen. Es sah aus wie Christbaumschmuck. Ich erfuhr, dass die Platten Warnblinkanlagen waren, die Menschen für sich und die Rehe aufgestellt hatten, damit sie des Abends im Scheinwerferlicht aufblitzten, um Tiere zu warnen und Autofahrer vor plötzlichem Wildwechsel zu bewahren.

Wenn ich in Hamburg mit dem Auto fahre, wechseln ab und zu Eichhörnchen meinen Weg. Ein Taxifahrer erklärte mir, die Tiere seien so gelehrig, dass sie in Ampelnähe inzwischen auf Grün warteten, bevor sie buschig über die Straße huschen. Der Autoverkehr ist der Feind der kleinen Kreatur.

Doch das gilt nicht für alle. Von der Krähe, von der ich bis dato nicht wusste, wie intelligent sie ist (Raben lernen auch sprechen), las ich dieser Tage, dass sie sich den Autoverkehr dienstbar macht. Die schlauen Tiere werfen Nüsse auf die Straße, um sie dann geknackt aufzusammeln. Der Autofahrer als Nussknacker. Natürlich nutzen die Krähen die Verkehrslage nicht nur vegetarisch. Sie lauern auf tote Igel, Frösche, Hasen. Die Straße ist ihre Schlachterei. Dabei fällt mir ein, dass Krähen und Raben früher Galgenvögel genannt wurden. Sie hackten auf den Hingerichteten ein. Daher die Redensart, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

Nun sind aber Krähen noch viel schlauer und technisch versierter. Sie beherrschen das archimedische Prinzip der Wasserverdrängung, das die Ente in der Badewanne schwimmen und die Seife ersaufen lässt. Man füllte hochwandige Gefäße mit so wenig Wasser, dass die Krähe mit ihrem Schnabel nicht herankam. Also suchte sich der Vogel passende Steine und warf die so lange ins Wasser, bis sein Kopf den Wasserspiegel erreichen konnte. Was für ein physikalisch kundiges Tier!

Wie klug die Krähe ist, wusste schon der poetische Tierforscher Ringelnatz (ja, der auch die Großstadtreise der Ameise beschrieben hat). Er dichtete: „Die Krähe lacht. Die Krähe weiß, / Was hinter Vogelscheuchen steckt, / Und dass sie nicht wie Huhn mit Reis / Und Curry schmeckt.“

Sie bleiben also vom Menschen unbehelligt mit ihrer Gescheitheit. Nur den Krähenfüßen geht es nicht gut. Sie werden gnadenlos mit Botox beseitigt.