Toll trieben es die alten Römer, und noch toller treiben es Millionen heute im weltweiten Netz: Vom uralten Reiz, alles zu entblößen

In der Geschichte menschlicher Zivilisationen gibt es Elemente, die sich seit Jahrtausenden ungebrochener Popularität erfreuen. Pornografie gehört dazu. Manche lebenspralle Darstellungen aus gewissen Häusern in Pompeji werden nur in Geheimkabinetten der Museen ausgestellt – weniger sinnenfrohe Naturen könnten leicht nervöse Anfälle erleiden. „Nicht selten liest die prüde Rosa/ im Bette heimlich rüde Prosa“ hieß es schon bei unseren Vorvätern. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass auch das Internet zur Bühne intimer Enthüllungen wurde. Zunächst war dies ein eher einsames Vergnügen. Viele Ehefrauen kennen ihre Pappenheimer, die sich abends noch mal hinter verschlossener Arbeitszimmertür an den Laptop setzen, um, nach offizieller Darstellung, etwa die Statistiken über das Baumsterben in Osteuropa zu studieren. Übrigens ist nicht jeder Titel pornografischer Darbietung preiswürdig („Aladin und die Wunderschlampe“). Indessen haben die sozialen Medien auch dieses Sehn-Suchtsverhalten revolutioniert. Vergleichsweise reputierliche Plattformen wie Facebook, YouTube und Instagram werden mittlerweile in höchst einschlägiger Absicht als Fuckbook, Porntube und Pornstagram plagiiert. Nun stellen teilweise dieselben Leute, die sich über die Indiskretion der NSA-Schnüffler entrüsten, Fotos von sich im Naturzustand ins Netz – zum Entzücken von Millionen Usern. Um einen Anhaltspunkt zu geben, was unter Popularität derartiger Websites zu verstehen ist: Der Provider Pornhub gibt an, er habe 2013 mehr als 17,4 Milliarden Visits verzeichnet. Wenn sich ähnlich viele Menschen über das Baumsterben informieren würden, wären wir umwelttechnisch einen großen Schritt weiter. Der Physiker Georg Christoph Lichtenberg hielt bereits im 18. Jahrhundert einen ermutigenden Trost für Pornofans bereit: Nämlich, dass die Menschen die wesentlichsten Dinge durch Röhren erledigten: „die Zeugungsglieder, die Schreibfeder und das Schießgewehr“.