Sie riefen einander zum Mondscheintarif an, wobei er mehrfach die Wählscheibe drehen musste, weil bei ihr besetzt war, dann aber telefonierten sie bis Sendeschluss und verabredeten sich zum Schwofen. Er benutzte ein Münztelefon, weil er zur Untermiete wohnte, und war froh, dass er genügend Groschen bei sich hatte. Er war ein Hallodri, sie ein Fräulein – aber was für eins, mein lieber Herr Gesangsverein! Und sie hatten sich in einem Raucherabteil kennengelernt.

Was fällt Ihnen bei dieser (zugegebenermaßen an den Haaren herbeigezogenen) Geschichte auf? Dass sie lauter technisch oder gesellschaftlich veraltete Vorgänge und Geräte beschreibt, die uns heute vorsintflutlich erscheinen. Dabei ist Ildikó von Kürthys Bestsellerroman „Mondscheintarif“ gerade mal 14 Jahre alt. Und schon gibt es keine Wählscheibe mehr, Scheibenkleister, verdammter! Ich habe die Liste der Wörter, die hier verwendet werden, in der „Bild“-Zeitung entdeckt. Die sucht als Antwort auf das „Jugendwort des Jahres“ jetzt das „Seniorenwort des Jahres“. So wie im Koalitionsvertrag, als Tier Gro-Ko-Deal genannt, die Jungen auch gegenüber den Alten benachteiligt werden, nicht sprachlich, aber zukunftsmäßig. Das Jugendwort des Jahres heißt übrigens „Babo“. (Schon gehört? Ich nicht. Bin aber auch längst keine 20 mehr.) Nun könnte ich noch andere Gewohnheiten anführen. Damals, als man, wenn man das Tanzbein schwang, noch eine kesse Lippe riskierte, zwischen die man auch im Lokal einen Glimmstängel schieben durfte.

Mit ihren Schablonen unserer Wirklichkeit altert auch die Sprache rapide. Sagt etwa jemand noch Drahtesel für das Fahrrad, und hat jemand noch ein Nasenfahrrad auf der Nase, wenn er kurzsichtig ist? Dank Alice Schwarzer hat es der Bürohengst auch längst schwer, an die Tippse ranzukommen, besonders wenn er ein Sesselpupser ist.

Der Groschen übrigens, also der Zwölfer als Zehner, hat sich über sämtliche Währungsumstellungen gehalten, er gehört dem Duodezimalsystem an, und seine Hälfte ist der Sechser gewesen, das Fünfpfennigstück. Der Groschen war gefallen, erst dann konnte man telefonieren. Bald war das Groschenfallen, typischer Fall von Denkste!, auch ein Symbol für schwer von Kapee, also: langsam im Kopf.

Wie sagte meine Schwiegermutter als Berlinerin so treffend: „Bei dem fällt der Groschen pfennigweise.“ Der war eben noch ein Knallkopf und noch kein Doppelpfosten.

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt